Ein gutes Ende

Größtenteils sind es leider eher die unangenehmen Fahrgäste, über die man redet und an die man sich erinnert. Doch – neben den vielen unspektakulären, netten „Normalos“ – chauffiert man auch hin und wieder Menschen, die eine Geschichte erzählen – ob mit oder ohne Worte. Einen für mich hier erwähnenswerten Fahrgast fuhr ich samstags in den frühen Morgenstunden nach Hause. Die Fahrt ging nicht weit, dennoch hat mein Beifahrer einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Der Auftrag versprach zunächst nichts Gutes: Abholung in einer Sportvereinskneipe. Argh, Kneipenfahrten. Ich hasse sie. 

  1. Man muss aussteigen. Nichts für Menschen wie mich, denn: Noch ein Bisschen fauler und ich wäre zu faul, um noch faul zu sein. 😉
  2. Man muss reingehen und auf sich aufmerksam machen. Wenn man nicht der „typische Taxifahrer“ ist, tut man sich damit oft schwer: „Taxi!“ – „Soll ich Ihnen eins rufen?“ – Gnaaaa.
  3. Je später die Uhrzeit, desto feuchtfröhlicher die Gäste. Und wenn man dann als junge Fahrerin einen rüstigen Rentner abholen will, ist das Gegröle der Saufkumpanen oft groß.
  4. Man schaltet schon beim Aussteigen  für gewöhnlich die Uhr ein – kleine Aufwandsentschädigung, hehe – und darf sich in 50% der Fälle auf Gemecker seitens der Fahrgäste einstellen, die dann irgendwann Minuten später, nachdem sie auch wirklich den letzten Tropfen aus ihrem Bierglas intus haben, aus der Kneipe torkeln und sich wundern, warum da schon 5,70 € auf der Uhr stehen. Tja, Freunde der Nacht, Zeit ist Geld.

Ich bin also notgedrungen rein, da stand er auch schon am Arm der Kellnerin im Türrahmen. Entgegen meiner Vermutung war er jedoch nicht betrunken, sondern gebrechlich und fast blind. Mit gesammelten Kräften und viel Zeit habe ich ihn zum Taxi geführt – ihm war das alles furchtbar unangenehm. Er hat sich tausendmal entschuldigt, er sei leider nahezu blind und müsse deshalb langsam machen. „Überhaupt kein Problem, wir lassen uns Zeit!“

Die Fahrt war, wie gesagt, nur eine Kurzstrecke – von Hoffeld nach Degerloch. Auf der Uhr standen am Ende 8,00 €, was größtenteils am Zeitaufwand des Einsteigens lag. Hätte ich das geahnt, ich hätte die Uhr erst beim Losfahren angemacht. 

Er gab mir nach mühevollem Aussteigen sein Portemonnaie, zog zwei Scheine hervor und fragte bei mir nach. „Das ist ein Fünfer und das ein Zehner.“ – „Nehmen Sie bitte beide.“ – „Kommt gar nicht in Frage!“ – „Doch, Sie waren so lieb, bitte.“ – „Machen wir’s so: Ich nehme den Zehner und bedanke mich ganz herzlich. Und jetzt führe ich Sie noch zur Tür.“ – „Wirklich? Ich kann einfach nur danke sagen. Immer wieder.“

An der Tür angekommen: „Warum sind Sie eigentlich so lieb?“  Oje. Was soll man da denn sagen? Traurig, dass mein Verhalten so außergewöhnlich für den alten Herrn war und man muss sich leider fragen, wie wohl der ein oder andere Taxikollege die Male zuvor mit ihm umgegangen ist. „Schaffen Sie’s rein? Ich bringe Sie auch gerne zur Wohnungstür.“ – „Nein, nein, das geht schon.“ Ich wollte im Taxi warten bis er wirklich im Haus war, er stand jedoch da und hat mir nachgewunken. Ich bin dann eine kleine Runde gefahren und am Schluss nochmal bei ihm vorbei, er hat es geschafft.

Ich hab übrigens nur den Fünfer genommen. Wenn ich damit mal nicht in den Himmel komme… 😀

11 Responses to Ein gutes Ende

  1. Boah, blinde Männer bescheißen! Das ist so… so… unglaublich! Unglaublich nett! 😀 Den Platz im Himmel hast Du sicher!

  2. neuer leser sagt:

    wow, toller blog, toller beitrag…wir bräuchten mehr solch nette menschen und liebe taxler(innen) wie dich.

  3. Zyniker sagt:

    Und ein Mensch der es sicherlich nicht verdient hat, bekommt einen 10€ Schein, für einen Artikel von 3,99€ und gibt 1,01€ raus. 🙂

  4. Nico sagt:

    Ich bin von Torstens Blog auf deinen gekommen und abgesehen davon, dass sich deiner ebenfalls sehr schön liest, bin ich davon überzeugt, dir nach diesem Beitrag einen Heiratsantrag machen zu müssen. 😉

    Mach bitte weiter so, in meinem Feedreader bist du schon dabei!

    • Das mit dem Heiratsantrag lass mal schön bleiben. Da bin ich vor Dir dran! 😀

      • Taxi 123 sagt:

        Torsten, nachdem Du jetzt weißt, daß die fröhlichen britischen Soldaten Deutschland demnächst verlassen, baggerst Du jetzt Taxifahrerinnen in ganz Deutschland an? Ich weiß ja nicht, wie ich das jetzt finden soll!

  5. Hüstel, ich weiß, wie ich das finde. Nämlich großartig! 😀

  6. Jela sagt:

    Find ich echt super von dir!! Solche Leute sollte es mehr geben!!! Großes Lob!!!

  7. Wow super Artikel…super Blog…
    Da weiß ich schon welches Taxi ich bestelle, wenn ich mal in Stuttgart unterwegs sein sollte 🙂

  8. Hach, rührend. Solche Menschen, wie Du es bist, zaubern mir immer ein kleines Lächeln ins Gesicht & lassen mich auch manchmal noch ans Gute im Menschen glauben. 🙂

Hinterlasse eine Antwort zu Torsten (taxi-blog.de) Antwort abbrechen