Es soll mir keiner vorwerfen, ich hätte aus meiner „unterlassenen Hilfeleistung“ von neulich nichts gelernt. Doch bevor ich Hilfe leisten konnte, musste erst mal was passieren.
Wer gestern Nacht in der Augustenstraße im Stuttgarter Westen plötzlich markerschütternde Hilfeschreie gehört hat – ich war’s nicht. Dafür meine Fahrgästin. Aber von vorne…
Alles hat gewöhnlich angefangen, ich stand nicht lange in der Rotebühlstraße, als der Auftrag kam. Eine Kneipe – nicht gerade meine bevorzugten Abholadresse, aber Madame stand zum Glück schon bereit. Etwas älter war sie, betrunken aber scheinbar nicht, und zudem recht agil.
Mit einem saloppen
„Rein mit dem Mädel!“
ließ sie sich unelegant in den Beifahrersitz fallen und nannte mir die Adresse.
„Ich fahr mal besser da vorne rechts hoch, wenden geht hier so schlecht…“,
sage ich und kündige einen minimalen Umweg mit der Bitte um Erlaubnis an.
„Wie Sie fahren, obliegt ganz Ihnen. Ich muss ja nur bezahlen“,
erwidert Sie freundlich. Bestechende Logik. Solche Fahrgäste gefallen mir. 😉
Am Ziel angekommen, helfe ich ihr raus und frage, ob ich sie noch zur Tür bringen soll. Sie wirft mir einen giftigen „Sooo alt und gebrechlich bin ich auch wieder nicht“-Blick zu, verneint dankend und nestelt in ihrer Tasche herum.
Ich steige also wieder ein, notiere den Fahrpreis und will losfahren. Vorher werfe ich noch einen kurzen Blick nach draußen und sehe in dem Moment meine Kundin die Arme in die Luft werfen und in Zeitlupe nach hinten fallen.
Ältliche Frau + Sturz + regennasser Asphalt + Hanglage + schmale Gasse zwischen zwei Autos = denkbar schlechteste Kombination.
Ich renne panisch ums Auto herum in Erwartung sie schwer verletzt auf dem Boden liegen zu sehen. Sie schreit inzwischen, als hätte sie sich mindestens was gebrochen oder („Hiiiilfe, Hiiiiilfe, neeeeein, aaahhhhh!!!!“) ich sie überfahren respektive ausgeraubt, die halbe Straße zusammen.
Der ein oder andere Vorhang wackelt verdächtig, zwei männliche Passanten bleiben stehen und beobachten ungerührt das Geschehen, während ich ihr – nachdem sie mir versichert hat, keine Schmerzen zu haben – aufhelfe.
„Oh Gott, haben Sie sich verletzt???“
„Nein, nein.“
„Soll ich einen Krankenwagen holen?“
„Nicht nötig, nein.“
„Ich fahr Sie auch eben ins Krankenhaus!“
„Nein, nein, ist nichts passiert.“
„Tut Ihnen was weh?“
„Ich bin halt ein bisschen auf den Kopf gefallen.“
„WAS?! Okay, ich rufe einen Krankenwagen!“
„Nein, es ist alles in Ordnung, glauben Sie mir.“
„Ist Ihnen schwindelig oder übel?“
„Nein, gar nicht.“
„Tut Ihnen sonst was weh?“
„Der Ellbogen…“
„Können Sie ihn durchstrecken?“
„Ja, sehen Sie … geht.“
„Sind Sie ganz sicher, dass es Ihnen gut geht?“
„Ja, absolut. Ich bin nur erschrocken.“
„Und ich erst!“
Sie lacht.
„Ach ja, Entschuldigung, dass ich so geschrien habe, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich dachte nur, Sie fahren vielleicht weg und über mich drüber…“
Gut, spätestens DAS hätte ich dann gemerkt. 😉
Ich bringe Sie zur Haustür, sie scheint vollkommen okay. Ihr Mann nimmt sie in Empfang, der unseren Dialog von eben noch einmal so ähnlich wiederholt und ich pflanze ihm ein, unbedingt einen Krankenwagen zu rufen, sollte es ihr schlechter gehen.
Puh, was für ein Einstand.
Denn es gibt auch noch ein paar gute Nachrichten. Wie schon im letzten Beitrag angekündigt, werde ich in Zukunft hoffentlich wieder mehr bloggen können, weil ich regelmäßig nachts fahren darf, juchee! Und als wäre das nicht schon Grund genug zur Freude, dies in einer E-Klasse, neu, schwarz, Automatik, voll funktionstüchtig (bedeutet: kein Schraubenzieher, der im Lenkrad steckt, damit die Halterung nicht herausbricht…) – mit FERNSEHER!
Jäckpott! 😀