Die Ungläubigen

24. November 2012

Gestern war mal wieder so eine Nacht, in der mir kaum ein Fahrgast zutrauen wollte, als relativ junger weiblicher Mensch ein relativ großes Auto unfallfrei und ortskundig durchs relativ überschaubare Stuttgart zu bewegen.

So zweifelte auch der männliche Teil eines netten Pärchens, das mir am Rotebühlplatz zustieg:

„Du fährst aber noch nicht lange!“

(Gerade erst losgerollt, konnte ich so großartig noch nichts falsch gemacht haben.)

„Doch, bald sieben Jahre.“

„Neeee. Glaube ich nicht. Wir fahren immer am Wochenende mit dem Taxi, wir wohnen quasi im Taxi, und wir haben Dich noch nie gesehen!“

Na, wenn das mal kein Beweis ist bei mehr als 700 Taxis… Aber dass ich ohne Navi den Weg zum Zielort gefunden habe, hat seine Skepsis auch nicht vertrieben.

„Ich teste Dich jetzt: Wo ist die alte Messe? Und wo die Neue?“

Knallharte Testfragen, die hundertprozentig niemand aus Stuttgart beantworten kann, der nicht auch wirklich den Taxischein hat. 😉

Beide Fragen zum Glück richtig beantwortet, konnte ich ihn schlussendlich davon überzeugen, dass ich das Taxi nicht geklaut habe und der richtige Fahrer auch nicht geknebelt im Kofferraum liegt.

Andererseits, so ganz Unrecht hat er nicht. Immer wieder passiert es mir, dass ich in noch einigermaßen zentrale Gegenden komme, in denen ich mich eigentlich besser auskennen sollte als ich es tue.

So geschehen, als ich einen Fahrgast in der Ruhrstraße in Cannstatt absetze, mich aus dem Seitenstraßenwirrwarr zurück auf die Hauptstraße kämpfe, mich dabei verfahre (!!!), das Straßenschild Winterhaldenstraße lese und entsetzt denke:

„Boah, wie es doch immer wieder Straßennamen gibt, die ich noch niiieee gehört habe!“

Zurück in der Innenstadt, vier neue und ähnlich kritische Fahrgäste wie ihr Vorgänger:

„In die Winterhaldenstraße“,

 sprach’s herausfordernd und ohne nähere Lagebezeichnung.

„Du fährst jetzt aber nicht ohne Navi? Ernsthaft jetzt?!“

„Entschuldige mal, ich bin Taxifahrerin, natürlich kenne ich die Straße.“

Hrhrhrhr…

„Respekt, ehrlich. Alle anderen Taxifahrer fragen immer, wo das ist.“

(Puh, das beruhigt mich wieder ein bisschen. Andererseits macht es mich auch traurig, wenn man bedenkt, was eigentlich unser Job ist. 😀)

„Warum fährst Du Taxi?“

vernehme ich dann eine zuckersüße, alkoholgeschwängerte Frauenstimme aus dem Fond.

„Weil sie’s kann“,

die Antwort meines Beifahrers.

„Haha, also, warum fährst Du Taxi?“

„Hm, hauptsächlich, weil’s Spaß macht!“

„Ja, aber warum fährst Du Taxi?“

„Äh, ja, und natürlich noch aus monetären Gründen…“

„Jetzt sag mal ehrlich, warum fährst Du Taxi?“

Worauf sie hinauswollte, war mir nicht ganz klar, also frage ich zurück:

„Warum nicht?“

Da wusste sie dann auch keine Antwort. Siehste.

In der von jetzt an für immer unvergessenen Winterhaldenstraße wartet sie bis die Männer ausgestiegen sind, beugt sie sich verschwörerisch zu mir nach vorne und mahnt:

„Nie das Ziel aus den Augen verlieren!“

Ein sehr guter Rat. Vergisst man nur allzu oft.


Geduldsprobe

24. November 2012

Wenn ich mir dabei nicht so spießbürgerlich vorkommen würde, den nachts chronisch zugeparkten Taxiplatz auf der Theodor-Heuss-Straße zu fotografieren und ans Amt für öffentliche Ordnung zu schicken, hätte ich das gestern wohl gemacht. Inzwischen quetschen sich die Sünder nämlich nicht mehr nur schambehaftet an den äußersten Rand, sondern man stellt sich neuerdings selbstbewusst nahezu mittig auf die gut sichtbare TAXI-Markierung.

Noch mehr als über die Falschparker habe ich mich allerdings über einen Kollegen geägert, der innerhalb einer Viertelstunde dreimal ohne Murren bereitwillig in einer Tour rangierte, um den Ein- und Ausparkenden Platz zu machen. Mit mir hat man’s da bekanntermaßen nicht so leicht.

Als der Kollege hinter mir also wieder einmal zurücksetzte, nachdem er vom Ausparker charmanterweise wortlos angehupt wurde, mache ich einfach mal das, was ich am besten kann: nichts. Die Hupe habe ich so lange überhört, bis dazu übergegangen wurde, vor- und zurückzurollen und dabei ordentlich Gas zu geben, was wohl wiederum als Aufforderung gedacht war, doch endlich mal Platz zu machen. Neandertaler… Leider musste ich aufrücken und so konnte dieses Herzchen dann doch unerfreulich zeitnah entkommen.

Kurze Zeit später stehe ich wieder allein am Platz und blockiere eine Parklücke, die keine ist, als sich der Nächste vor mich stellt, zurücksetzt, dicht auffährt und hupt. Aussteigen und kommunizieren wollte er aber auch nicht, also fährt er rückwärts – nicht ohne mir dabei einen bösen Blick zuzuwerfen – an mir vorbei und versucht, sich vorwärts in die Lücke zu schieben.

Vor lauter Dummdreistigkeit übersieht er dabei den Motorradcop bei seiner Zigarettenpause Verkehrsüberwachung, der die ganze Sache beobachtet hat. Schließlich rollt dieser gelangweilt vor, macht eine lakonische Verzieh-Dich-Handbewegung, rollt wieder zurück und raucht ebenso gelangweilt weiter. An Coolness kaum zu überbieten. Mein Held der Nacht. 😉

Später schleicht sich noch jemand zerknirscht in sein falschparkendes Auto, startet den Motor, blinkt und wartet geduldig. Also ehrlich, einmal kurz nett an mein Fenster geklopft und sowas gesagt wie:

„Sorry, ich weiß, dass ich falsch stehe, könntest Du mich mal kurz rauslassen?“

und alles wäre kein Problem. Aber das war mir dann wieder zu blöd, also hab ich gewartet. Und er auch. Nach knapp acht Minuten, die er brav blinkend neben mir stand, bekam ich einen Fahrgast und musste das Feld räumen.

Wer weiß, wie lange er noch gewartet hätte. Aber ich werde die nächsten Nächte bestimmt noch die eine oder andere Gelegenheit haben, meine Fallstudie zu substanziieren. 😀

Nachtrag: Dass man das auch Nötigung nennt, ist mir zwar bewusst, aber hey, wo kein Richter, da kein Henker. Und ich muss sagen, meine Toleranzgrenze sinkt leider dramatisch mit jedem dieser überschaubar Intelligenten. Nachvollziehbarerweise, hoffe ich.


Don’t wake me up, up, up, up, up

24. November 2012

Der dritte Promi in meiner Taxikarriere darf natürlich nicht unerwähnt bleiben:

Ich habe gestern den US-amerikanischen, Hip-Hop-, Contemporary-R&B- und Popmusiker, Songwriter, Tänzer, Schauspieler und Rapper (mei, der kann was!) Chris Brown gesehen.

Zumindest glaube ich das, es waren schließlich mehrere und die sehen ja alle gleich aus mit ihren Goldkettchen und dem Achtung-ich-bin-ein-Star-und-total-erledigt-von-dem-krassen-Rumgehopse-auf-der-Bühne-Handtuch überm Kopf.

Dass ich mitten in Prominent! gelandet bin, hab ich zugegebenermaßen erst bemerkt, als ich kurz von einer semi-anspruchsvollen, aber dennoch fesselnden Unterhaltungssendung des hessischen Rundfunks aufblicke und lauter aufgeregte Teenies sehe, die ihr Handy in Video-Pose auf mein Taxi richten. Gruselig, da bin ich reflexartig direkt erst mal tiefer in den Sitz gerutscht.

Die Aufmerksamkeit galt zum Glück nicht mir, sondern dem dunklen Wagen, der neben mir vor dem Hoteleingang hielt. Hab mich als Gegenpart zu den hyperventilierenden Fans mal betont unbeeindruckt gezeigt, um für ein bisschen Realismus zu sorgen. Leider vergeblich…

Als mir kurz darauf zwei Mädels ins Taxi steigen, ist die eine noch ganz aufgeregt:

„Wenn ich den Chris Brown näher gesehen hätte, dann …“

Ich erwarte ein „… hätte ich ihn abgeknutscht“ oder „… wäre ich in Ohnmacht gefallen“ und lächle schon mal mild, aber weit gefehlt:

„… hätte ich ihn geschlagen, so wie er es mit seiner Freundin gemacht hat!“

So verliert man Fans, Christopher!

Und weil sie gerade noch mit ihrem Smartphone hantiert, will sie mich plötzlich auch unbedingt fotografieren, um ihren Freunden in Brasilien zu beweisen, dass es in Deutschland wirklich „solche Taxifahrerinnen“ gibt (was immer sie damit zum Ausdruck bringen will).

Ich, solche Taxifahrerin, nur ein Foto hinter Chris Brown – da kann er sich aber mal geehrt fühlen. 😀