Gestern war mal wieder so eine Nacht, in der mir kaum ein Fahrgast zutrauen wollte, als relativ junger weiblicher Mensch ein relativ großes Auto unfallfrei und ortskundig durchs relativ überschaubare Stuttgart zu bewegen.
So zweifelte auch der männliche Teil eines netten Pärchens, das mir am Rotebühlplatz zustieg:
„Du fährst aber noch nicht lange!“
(Gerade erst losgerollt, konnte ich so großartig noch nichts falsch gemacht haben.)
„Doch, bald sieben Jahre.“
„Neeee. Glaube ich nicht. Wir fahren immer am Wochenende mit dem Taxi, wir wohnen quasi im Taxi, und wir haben Dich noch nie gesehen!“
Na, wenn das mal kein Beweis ist bei mehr als 700 Taxis… Aber dass ich ohne Navi den Weg zum Zielort gefunden habe, hat seine Skepsis auch nicht vertrieben.
„Ich teste Dich jetzt: Wo ist die alte Messe? Und wo die Neue?“
Knallharte Testfragen, die hundertprozentig niemand aus Stuttgart beantworten kann, der nicht auch wirklich den Taxischein hat. 😉
Beide Fragen zum Glück richtig beantwortet, konnte ich ihn schlussendlich davon überzeugen, dass ich das Taxi nicht geklaut habe und der richtige Fahrer auch nicht geknebelt im Kofferraum liegt.
Andererseits, so ganz Unrecht hat er nicht. Immer wieder passiert es mir, dass ich in noch einigermaßen zentrale Gegenden komme, in denen ich mich eigentlich besser auskennen sollte als ich es tue.
So geschehen, als ich einen Fahrgast in der Ruhrstraße in Cannstatt absetze, mich aus dem Seitenstraßenwirrwarr zurück auf die Hauptstraße kämpfe, mich dabei verfahre (!!!), das Straßenschild Winterhaldenstraße lese und entsetzt denke:
„Boah, wie es doch immer wieder Straßennamen gibt, die ich noch niiieee gehört habe!“
Zurück in der Innenstadt, vier neue und ähnlich kritische Fahrgäste wie ihr Vorgänger:
„In die Winterhaldenstraße“,
sprach’s herausfordernd und ohne nähere Lagebezeichnung.
„Du fährst jetzt aber nicht ohne Navi? Ernsthaft jetzt?!“
„Entschuldige mal, ich bin Taxifahrerin, natürlich kenne ich die Straße.“
Hrhrhrhr…
„Respekt, ehrlich. Alle anderen Taxifahrer fragen immer, wo das ist.“
(Puh, das beruhigt mich wieder ein bisschen. Andererseits macht es mich auch traurig, wenn man bedenkt, was eigentlich unser Job ist. 😀)
„Warum fährst Du Taxi?“
vernehme ich dann eine zuckersüße, alkoholgeschwängerte Frauenstimme aus dem Fond.
„Weil sie’s kann“,
die Antwort meines Beifahrers.
„Haha, also, warum fährst Du Taxi?“
„Hm, hauptsächlich, weil’s Spaß macht!“
„Ja, aber warum fährst Du Taxi?“
„Äh, ja, und natürlich noch aus monetären Gründen…“
„Jetzt sag mal ehrlich, warum fährst Du Taxi?“
Worauf sie hinauswollte, war mir nicht ganz klar, also frage ich zurück:
„Warum nicht?“
Da wusste sie dann auch keine Antwort. Siehste.
In der von jetzt an für immer unvergessenen Winterhaldenstraße wartet sie bis die Männer ausgestiegen sind, beugt sie sich verschwörerisch zu mir nach vorne und mahnt:
„Nie das Ziel aus den Augen verlieren!“
Ein sehr guter Rat. Vergisst man nur allzu oft.