Diebisch

28. November 2011

Gestern habe ich mich nach langer Abstinenz mal wieder mit einem Kollegen angelegt. Zumindest hat er es so empfunden. Das Ganze passierte ausgerechnet an meinem Lieblingsplatz und noch dazu betraf es einen Kollegen, der da auch immer steht, mit dem ich aber noch nie gesprochen habe – und der jetzt wohl auch nie wieder mit mir sprechen will (zukünftige Schimpftiraden ausgenommen).

Wir standen um die Mittagszeit zu zweit in Sillenbuch, er vor mir, ich dahinter in mein Buch vertieft. Irgendwann blicke ich auf und sehe einen potenziellen Fahrgast an seiner Beifahrerseite stehen und klopfen. Als ich das nächste Mal aufblicke, steht besagter Fahrgast irritiert neben meinem Taxi und steigt ein.

„Ist der Kollege nicht da?“

frage ich.

„Doch, aber der schläft tief und fest. Hab schon geklopft. Kann ich auch mit Ihnen fahren?“

„Können Sie natürlich, aber er wartet ja schon länger. Ich mach ihn kurz wach“,

sage ich und hupe zweimal. Keine Reaktion.

„Wenn Sie kurz warten wollen, ich gehe vor und wecke ihn auf.“

„Ehrlich gesagt hab ich’s sehr eilig und keine Zeit für dieses Hin und Her, ich fahre jetzt mit Ihnen.“

Bis hierhin nichts falsch gemacht, denke ich. Dass man beim Warten kurz einnickt, kommt immer mal vor, aber spätestens durch die Hupe des Hintermanns sollte man dann wieder aufwachen.

Noch dazu dürfte der Fahrgast selbst dann mit mir fahren, wäre der Kollege wach gewesen; die freie Fahrzeugwahl (um die es hier ja nur indirekt geht), nehmen einem manche Kollegen leider persönlich übel, obwohl ich jedes Mal darauf hinweise, dass ich noch nicht Erster bin. Insbesondere nachts ernte ich oft bitterböse Blicke, wenn jemand („Oh, eine Frau – oder auch damals: Oh, die neue E-Klasse 😉 -, ich will lieber mit Ihnen fahren!“) bei mir einsteigt.

Unterwegs bekomme ich dann direkt eine pikierte Funk-SMS aufs Display:

DU BIST EIN DIEB.

Ganz großes Ballett. Selber die Kundschaft verschlafen und andere dafür verantwortlich machen. Die Taxifahrer sind schon ein eigenes Völkchen, das wirst Du auch noch merken, wurde ich an meinem ersten Tag gewarnt. In Momenten wie diesen fällt mir das dann wieder ein.

Ging übrigens nach Esslingen und zurück. Falls er mich noch mal darauf anspricht, hält ihn der doppelte Ärger das nächste Mal vielleicht wach.


Alles neu

25. November 2011

So, neues Design (wenn auch noch nicht ganz zufrieden) und heute noch einmal haarscharf an der Komplettlöschung vorbeigeschrammt.

An die „Hater“ da draußen: Wenn ich alles kommentieren würde, was ich im Netz lese und mir nicht in den Kram passt… Na, ihr müsst ja Zeit haben. Spart euch die Mühe, Meinungsfreiheit hin oder her, dumme Kommentare und Mails werden direkt gelöscht. Denunzierende Forendiskussionen werden einmal mild belächelt, bitteschön: 😀

Peace und weiter im Text,

Mia


Vergiftet

20. November 2011

„Bitte schnell ins Krankenhaus. Ich bin vergiftet.“

ächzt er mit leidvoller Miene und steigt hinter mir ein.

„Erst mal dürfen Sie sich gerne zu mir nach vorne setzen oder auch einfach durchrutschen, bitte.“

übergehe ich seine nicht alltägliche Ansage, aber Ordnung muss sein.

„Ich kann nicht, ich bin vergiftet!“

wiederholt er jammernd.

Ich lache nicht ganz so überzeugend und stecke ihn gedanklich in die Schublade potenzieller Kehlenaufschlitzer. Wer sich als einzelner Fahrgast trotz Aufforderung weigert den Platz hinter dem Fahrer zu verlassen, ist mir alles andere als geheuer. Während der Fahrt lasse ich ihn im Rückspiegel also keine zwei Sekunden aus den Augen.

Dort windet er sich und stöhnt vor sich hin, so wirklich lebensbedrohlich sah mir das Ganze aber nun nicht aus, wobei mir die typischen Vergiftungssymptome sowieso nicht geläufig sind, zugegeben. Auf mich wirkt er wie jeder andere Mann mit einem Wehwehchen: scheinbar kurz vor dem Exitus, aber noch lange nicht ernst zu nehmen.

Am Krankenhaus angekommen, rund zwanzig Meter vom Haupteingang entfernt, erwacht er aus seiner Trance und blickt verwirrt durch die Gegend. Bevor er noch in meinem Taxi verendet, will ich ihn loswerden, denke ich, also sage ich fröhlich:

„So, hier wären wir. Das macht dann bitte 8,50.“

Doch statt zu bezahlen, lässt er sich seitlich auf den Sitz kippen.

„Ich kann nicht aufstehen, ich bin vergiftet. Das hab ich Ihnen doch gesagt! Können Sie einen Arzt holen?!“

So langsam wird mir die Situation doch mulmig, also reagiere ich, wie es ein engagierter Ersthelfer nicht hätte besser machen können. Ich motze ihn an:

„Oh Mann, meinen Sie das jetzt ernst?! Warum rufen Sie dann ein Taxi und keinen Notarzt, verdammt noch mal?!“

Als ich gerade den Schlüssel abziehe und mich schon panisch in leeren, düsteren Krankenhausgängen „Wir brauchen sofort einen Arzt! Ist hier denn niemand?!?“ rufen sehe, kramt er einen Zehner aus seiner Jeans, steigt aus ohne auf das Wechselgeld zu warten und schwankt in Richtung Haupteingang.

Ich bleibe zurück, über meinem Kopf schweben tausend Fragezeichen. Als ich ihn nicht mehr sehen kann, entscheide ich mich für die Drei-Affen-Variante und fahre achselzuckend davon.

Bin mir immer noch nicht sicher, ob das nicht vielleicht ein spitzenmäßiger Sketch à la Comedy Street war und ich es nur nicht gerafft hab. Ich sollte mal mit meinem Humorberater sprechen. Falls ihr also demnächst eine begriffsstutzige, humorlose Taxifahrerin bei Pro7 sehen solltet, dann bin ich das wohl…


Miese Tour

15. November 2011

Wie stellt man einen Taxifahrer zufrieden?

a) Man bezahlt. Den kompletten Preis. Ohne zu maulen.

b) Man gibt Trinkgeld (optional).

c) Man ist ein höflicher, wohlwollender und ruhiger Zeitgenosse.

d) Man unterlässt dumme Fragen und ebensolche Bemerkungen.

Und obwohl ich Madame von einem der besseren Seniorenwohnheime abgeholt habe, was die Hoffnung auf Erfüllung aller vier Punkte stärkt, ist sie gnadenlos gescheitert.

Der Anfang war zunächst unauffällig, wenngleich mich die Lautstärke an meinen Papa erinnerte, wenn er telefoniert (er bräuchte eigentlich kein Telefon):

„ZUM HAUPTBAHNHOF!!“

Ich fahre los und keine drei Sekunden später kräht es vorwurfsvoll von hinten:

„FAHREN SIE AUCH WIRKLICH DIE KÜRZESTE STRECKE??“

Nicht zwangsläufig eine dumme Frage, wenn man in Eile ist und der Taxifahrer die schnellere Route nehmen möge – obwohl man sie dann anders formulieren sollte -, in dem Fall hat sie mir aber vermutlich aufgrund der „falschen“ Fahrtrichtung unlautere Methoden unterstellt. Dass sich ihr Wohnstift in einer Einbahnstraße befindet, ist ihr dabei wohl entfallen.

„MEIN ZUG FÄHRT UM 11.27 UHR!!! ICH MUSS NÄMLICH NACH TÜBINGEN!!! REICHT DAS NOCH???“

Es war nicht mal elf, das hätten wir in der Zeit auch mit dem Taxi nach Tübingen geschafft.

Sie keift weiter:

„DAS KOSTET JA ABER WOHL NICHT MEHR ALS ZEHN EURO?!?!“

„Könnte knapp werden. Aber so um den Dreh wird es kosten.“

Als wir eine Stadtbahn passieren:

„ICH HÄTTE LIEBER MIT DER BAHN FAHREN SOLLEN. DAS KRIEG ICH NÄMLICH VIEL BILLIGER!!“

Tja, im Auto von Tür zu Tür chauffiert zu werden, kostet tatsächlich mehr als ein Massentransportmittel zu nutzen. Unverständlich.

Kurz vor dem Wagenburgtunnel stehen 9,10 € auf der Uhr.

Sie schreit in gewohnt panisch-aggressiver Manier:

„DAS REICHT NICHT!! ICH HAB NUR ZEHN EURO! SIE HABEN GESAGT, DAS REICHT!“

An dieser Stelle hätte ich sie zu gerne aus dem fahrenden Wagen gekickt, aber bevor ich mich wegen ein paar Cent mit einer Kundin, die in ihrem früheren Leben Drill Sergeant war, anlege, habe ich mich erboten, die Uhr bei 9,80 € auszumachen.

Hier wendet sich dann das Blatt und ich werde die letzten hundert Meter mit sanftmütiger Lobhudelei bedacht.

„DAS IST SEHR LIEB VON IHNEN! DAS HABEN SIE GANZ TOLL GEMACHT! SEHR LIEB! MEHR HAB ICH JA NICHT, WISSEN SIE! HIER, DANN MACHEN SIE ZEHN“,

brüllt sie mir ins Ohr und bezahlt. Mit einem Fünfziger.


Verdiente Brötchen

6. November 2011

Jetzt weiß ich wieder, warum ich nicht gerne am Ostendplatz stehe: Weil die mir auferlegten Aufträge dort immer irgendwie „speziell“ sind. So natürlich auch dieses Mal. Der Auftrag ließ zunächst Ominöses verlauten:

„Material bitte sofort ausliefern!!!“

Klang wahnsinnig wichtig und lebensrettend – was für mich, also hab ich angenommen.

Das Material bestand aus 120 frischen Brötchen, abzuholen bei einem Bäcker am Ostendplatz und für einen Festpreis auszuliefern in einem Hotel in Feuerbach. Auftraggeber war eine Ausflugsguppe eines österreichischen Hospizes. Die Kombination fand ich erst etwas befremdlich, scheint aber doch nur ein gewöhnliches Hotel in Tirol zu sein.

Den Kofferraum voller duftenden Brötchen mache ich mich knurrenden Magens also auf den Weg, checke ungefähr hundertmal den Auftrag en détail, damit ich auch nicht das falsche Hotel anfahre (ich kenne mich einfach zu gut) und komme kurz darauf zuversichtlich in Feuerbach an, wo natürlich passiert, was passieren musste:

„Ich weiß von nichts!“

sprach die Rezeptionistin.

„Aber das war bestimmt eine unserer Frühstücksdamen.“

Bestimmt nicht, denke ich. Dem Hotel wird schließlich nicht die Ladung Brötchen fürs Frühstück ausgegangen sein. Und wenn, gäbe es wohl diskretere Lösungswege, als den Nachschub per Taxi vor allen Gästen an die Rezeption zu karren. Die Bestätigung kam prompt von der resoluten Frühstücksfee:

„Nee, wir haben nix bestellt. Wir bestellen sowieso nur per Fax und auch nur dienstags und donnerstags. Und natürlich direkt bei unseren Lieferanten und nicht bei der Taxizentrale.“

„Ja, das dachte ich mir schon, aber ich habe den Auftrag, die Brötchen an der Rezeption abzuliefern und das werde ich auch einfach mal tun, den bezahlt sind sowohl die Brötchen als auch ich.“

„Moooment, Sie laden hier bestimmt keine 120 Brötchen ab, die wir nicht bestellt haben!“

funkelt sie mich böse an.

Die Rezeptionistin blickt etwas hilflos drein, also krame ich noch mal in den Tüten und überreiche die Quittung, ausgestellt auf oben erwähntes Hospiz in Tirol.

Die Frühstücksdame erklärt unnötigerweise:

„Ach, schauen Sie, das sind gar nicht wir!“

Ich hoffe nicht, dass sie mir allen Ernstes verklickern wollte, dass ich mich schlicht in der Adresse geirrt hätte. Ups, ist ja gar nicht Österreich hier! oder wie?

Die Rezeptionistin checkt in der Zwischenzeit erfolglos die Gästeliste auf jenen Namen. Als sie dann aber bei den anreisenden Gästen nachsieht, endlich ein Volltreffer. Und eine kleine Notiz, die für die Reaktion sorgt, die ich schon die ganze Zeit sehen wollte:

„Ich nehme die Brötchen an!“

gelobt sie feierlich und nickt. Barack Obama hätte es nicht besser machen können.

Und so konnten wir der vermeintlichen Ernsthaftigkeit des Auftrags schlussendlich doch noch gerecht werden.