Zickenkrieg und Frieden

27. Februar 2011

Ein Partychick reißt meine Beifahrertür auf:

„ZUM MASH???“

brüllt sie mich an. Ein Gehörlosenopfer der Clubgängergesellschaft, denke ich und nicke zum Zeichen der Zustimmung.

Sie steigt vorne ein, hinten nehmen ein, zwei, drei Weibchen Platz. Ein Männchen entledigt sich seiner eben angezündeten Zigarette („Was, man darf im Taxi nicht rauchen???“) und gesellt sich dazu.

Aufmerksame Leser dürften die Problematik bereits erkannt haben, meine Fahrgäste brauchten hierfür etwas länger, aber Fakt ist: fünf sind einer zu viel.

Als ich sie freundlich darauf hinwies, wurde ich von vier schrillen Frauenstimmen unisono zugetextet, ich möge doch bitte eine Ausnahme machen. Sie würden sich auch ducken. Zum Beweis kriecht die eine auf dem Beifahrersitz in den Fußraum. An Cleverness kaum zu überbieten: hinten vier Köpfe und vorne sitzt niemand. Brüller.

Ich gebe die Nummer der Zentrale für die Bestellung eines Großraumtaxis durch und bleibe konsequent.

„Kann es sein, dass Sie heute irgendwie schlecht drauf sind???“

vernehme ich von hinten.

„Überhaupt nicht, ich bin bestens drauf, wenn ich Fahrgäste habe, die bis vier zählen können. Und tschüss.“

Ich rücke am Taxiplatz entnervt auf, ein paar Momente später steigen drei der fünf Freunde ein.

„Oh, Sie schon wieder.“

Herrje, gleiches Auto, nur fünf Meter weiter vorne. Aber das lasse ich mal unkommentiert.

„Wie Sie sehen, haben wir uns jetzt aufgeteilt und nehmen zwei Taxis. Wir haben verstanden, dass wir vorhin einer zu viel waren.“ 

Wie aus dem Lehrbuch. Braves Kind.  

„Sie sind übrigens die erste Taxifahrerfrau (ist das sowas wie Amtmännin?) die ich je gesehen habe – und dann auch noch so eine hübsche!“

„Na, jetzt übertreib mal nicht!“

wirft meine „Freundin“ von vorhin bissig ein. Sie ist wohl noch eingeschnappt.

Am Mash angekommen bezahlt mich eben jene. Den Fahrpreis von 7,90 € rundet sie erst auf 8,50 € auf, revidiert kurzerhand ihre Großzügigkeit und meint dann:

„Ach nee, acht reichen auch.“

Herzallerliebst. 😀

 

Dass es unter Frauen auch weniger stutenbissig zugehen kann, zeigt meine nächste Fahrgästin:

Sie klopft zaghaft an die Scheibe, öffnet die Tür und sagt leise:

„Ich will Sie eigentlich gar nicht stören, Sie lesen ja gerade ein Buch!“

Richtig erkannt, so verbringe ich meine Samstagabende am Liebsten: schön gemütlich im Auto mit der unbequemsten Rückenlehne ever, neben dröhnenden Bässen von der einen Seite und aufheulenden Motoren von der anderen an einer Hauptstraße stehend. Wer will da schon gestört werden – und das auch noch von zahlender Kundschaft?

„Aber ich würde gerne in die Liststraße. Ich weiß, es ist beschämend, das ist ja nur eine Kurzstrecke. Darf ich trotzdem mit Ihnen fahren?“

Sie durfte. Bin ich nicht nett? 😀

„Ich will nur noch nach Hause. Ich bin so betrunken… Oh, NEIN, NEIN!“

„Was ist denn?“

„Wie? Ach, ich bin so betrunken… Neeeeein, ich will nur noch nach Hause.“

„Wir sind doch gleich da.“

Sie in leidendem Tonfall:

„Ich finde Sie sooo sympathisch und deshalb muss ich Ihnen jetzt mein ganzes Geld geben (macht Sinn, ja ;))! Aber Frauen müssen zusammenhalten, fahren Sie mich gleich mal zur Bank, dann hole ich ganz viel Geld.“

Ich fahre also zur Bank, zumindest den Fahrpreis wollte ich dann doch.

Sie kommt nach wenigen Sekunden wieder raus, legt einen Zehner auf den Beifahrersitz und meint verschwörerisch:

„Falls mir irgendwas passiert, bezahle ich Sie lieber schon mal. Da sind nämlich ganz komische Männer in der Bank. Die verhalten sich sehr, sehr merkwürdig. Sowas hab ich noch NICHT erlebt.“

Scheinbar todesmutig wagt sie sich wieder in die Gefahrenzone. Ich riskiere einen Blick in die Bank und erwarte pöbelndes Pack à la U-Bahn-Schläger, sehe stattdessen zwei unauffällige Typen den Bankautomaten bedienen. Was immer sie getrunken hat, es war zu viel. Ein paar Minuten später sind wir am Ziel angekommen, die Fahrt macht 12,70 €.

Ich frage mich gerade, welches Geldbündel sie mir nach dieser Ankündigung in die Hand drücken wird, da reicht sie mir einen Zwanziger und sagt

„Dreizehn“.

Verdammt! 😉

Aus dem Taxi hab ich sie nur bekommen, nachdem ich ihr hoch und heilig versichert habe, die „sehr gefährlichen Ecken Stuttgarts“ zu meiden. Sie sei schließlich nur eine harmlose Alkoholikerin, aber bei den vielen bösen Menschen hier im Stuttgarter Süden könne man ja nie wissen…

„Wie die beiden vorhin in der Bank?“

werfe ich amüsiert ein.

„Um Gottes Willen! Jetzt muss ich mich aber beeilen, dass ich ins Haus komme, die sind mir bestimmt gefolgt. Da sehen Sie, so gefährlich ist es hier, passen Sie auf sich auf!“

sprach’s und verschwand.

Ein würdiger Abschluss meiner Nachtschichtphase, die nächsten Wochen fahre ich nun wieder tags. Mein Biorhythmus wird’s mir danken, aber die skurrile Kundschaft wird mir fehlen. 😉


Mieses Karma?

26. Februar 2011

Erwartet nichts, dann werdet ihr nicht enttäuscht. Sollte ich mir auch zu Herzen nehmen. 😉

Gestern Nacht war jedenfalls reichlich unspektakulär, aber so ein bisschen bloggen will man dann doch mal wieder, zumal ich meinen persönlichen Rekord im Anti-Trinkgeld-kriegen gebrochen habe: sagenhafte 6 € in einer Schicht.

12 Touren waren es ingesamt, das höchste Trinkgeld lag nach meiner ersten Tour bei 1,80 €, das niedrigste waren minus 40 Cent.

Bei 20,40 € wurde mir ein Zwanziger und ein Zehner gereicht mit den Worten:

„Naaa, machste mal 20,50 € – wir haben gerade 1.000 € im Casino gewonnen!“

Was für ein Akt der Großzügigkeit. Der eine sah aber so aus, als würde er den Alkohol nicht mehr lange intus halten können, also hab ich mir schnell den Zwanziger geschnappt und sie an die frische Luft gesetzt.

Dreimal bekam ich gar nichts, dafür Sprüche wie:

„Siebenfünfzig?! War das jetzt Kurzstreckenzuschlag oder was?“

„Sowas gibt es bei uns nicht, das ist ganz normaler Tarif.“

„Also, das ist ja schon … puh … heftig. Heieiei!“

Noch mal: 7,50 €! Manche Leute, ey.

Oder auch mein Lieblingssatz, gleich zweimal gehört letzte Nacht:

„Bis 15 € bin ich dabei!“

Nicht zu vergessen den Zusatz:

„Oder Du machst für den Rest der Strecke das Taxameter aus, hehehe.“

Dann stehe ich am Albplatz in Degerloch und erbarme mich als Dritter am Platz zehn Minuten nach Schönberg rauszufahren. Wo die Reichen und Alten Schönen wohnen, hätte ja auch was Größeres für mich rausspringen können. Aber nein, es ging dann doch nur zurück nach Degerloch.

Und natürlich:

„Wir haben nur 10 €, den Rest laufen wir!“

Außerdem wurden meine drei Wochen alten Stoffsitze behutsam ins Taxinachtschichtleben eingeführt und flächendeckend mit Alkohol beträufelt. So ein Flaschenverschluss ist eben doch eine geistige Herausforderung der besonderen Art. Auf meine Frage, ob sie da hinten alles im Griff habe oder wir besser kurz anhalten sollen, lacht sie und sagt:

„Nö, ist doch nicht mein Auto, haha!“

Ein weiterer Klassiker: Auftrag inklusive Nachnamen. Ich fahre hin, steige aus und was ist? Der Name steht auf keiner Klingel, das Haus liegt komplett im Dunkeln. Ich gehe zurück zum Taxi, warte zwei bis drei Kulanzminuten, mache entweder die Uhr an oder fahre wieder weg.

Wahlweise wird sich dann nach Minimum zwanzig Minuten (ist ja früh aufgefallen, dass ein sofort bestelltes Taxi einfach nicht kommt) beschwert, wo denn das Taxi bliebe oder es passiert gar nichts. Keine Ahnung, was davon mich mehr aufregt.

Auch reizend – in mehrfacher Hinsicht – war, nachdem ich zweimal ums Haus gegangen bin, blöd wartend im Taxi sitze und gerade wieder wegfahren will, eine junge Frau einsteigt und ohne Anflug eines schlechten Gewissens fröhlich plappert:

„Ach, ich hoffe, Sie haben noch nicht lange gewartet. Ich hab ja keine Klingel und jetzt dachte ich, gehst Du dann doch mal raus, da hast Du doch grade was gehört…“

Und zu guter Letzt winken drei junge Leute an einer Straßenbahnhaltestelle, ich halte an, frage kurz:

„Habt ihr bestellt?“

Einer nuschelt:

„Nönöwirwollennachweilimdorf.“

Keine zwei Minuten später klingelt das Handy meiner Fahrgästin, die TAZ war dran, in welchem Taxi sie säßen, sie hätten doch bestellt, der Taxifahrer wäre vorort und niemand sei mehr da. Man möge bitte meine Ordnungsnummer durchgeben… Und das um 4 Uhr morgens, wo an jeder Ecke irgendwelche Winker stehen. Ich wüsste zu gerne, welcher Kollege die Fehlfahrt gemeldet hat – der hat wohl sonst auch keinen Spaß im Leben.

So, genug des Unmutes. Mal sehen, wie es nachher läuft. Ich bin ja so richtig gut gelaunt. 😀


Knapp daneben ist auch vorbei

14. Februar 2011

Vier Jahre lang hab ich es richtig gemacht: kein Pfefferspray in der Jackentasche, keine Axt unterm Sitz, nur viel Glaube an das Gute im Menschen und so hab ich überlebt. Meine etwas naive Einstellung: Gefahr ausblenden, dann passiert auch nichts. 😉

Selbst nach dem damals noch ungeklärten „Taximord“ in Nürtingen bin ich weiter Nachtschicht gefahren, obwohl mich ungelogen jeder darauf angesprochen hat. Damit man auch bloß nicht aus Versehen eine entspannte Schicht fährt…

Ich hab auch schon Funkmeldungen à la „Polizei sucht bewaffneten Mann im Raum Rotebühlstraße“ am Bismarckplatz stehend ignoriert. Früher war ich definitiv cooler.

Mit meinem ersten Blogeintrag hier hab ich nun entweder schlagartig sämtliche Sensoren für a) nur blödes Geschwätz, b) betrunken und vorübergehend hirnlos oder c) tiefschwarzer³² Humor verloren. Oder ich fahre tatsächlich nur noch suspekte Typen mit Hang zum Kapitalverbrechen.

Der Erste dieses Wochenende war im Nachhinein relativ harmlos, aber, wie sagt der Laie, ein „Psycho“. Da hab ich dann doch lieber die einfältigen aggressiven Dummschwätzer, die kann man wenigstens einigermaßen einschätzen.

Aber wer bei mir einsteigt und sofort mit morbider Faszination alles über die Taxiverbrechen vom Bodensee erzählt, ist mir verständlicherweise etwas unsympathisch. Und wenn es dann noch in eine verlassene Straße geht, derjenige sein Portemonnaie schon in der Hand hat und trotzdem noch zur Tür gewandt hektisch in seiner Jacke rumsucht, umso mehr.

Der Zweite war noch ’ne Ecke gruseliger: Abholung an einer Kneipe in Gablenberg, eine Frau und zwei Männer. An der Geroksruhe stieg das Pärchen aus, zurück blieb mein Beifahrer, der nach Wangen wollte. Und dies unbedingt über die Waldebene Ost bzw. Wangener Höhe:

Der linke Kringel ist ungefähr die Geroksruhe, rechts oben das grobe Zielgebiet.

Will heißen: Unbefestigte Straßen, später Weinberge, jedoch erst mal viel Wald und sonst nichts. Aber auch zweifellos die kürzeste Strecke nach Wangen.

Als wir gerade mitten im Nirgendwo sind, fragt er mich, warum ich nicht angeschnallt bin. Mein Lieblingsthema mit einem männlichen Fahrgast tief im Wald.

Ich erkläre ausweichend, dass wir uns ja bekanntermaßen nicht anschnallen müssen, wenn wir besetzt sind, was schon allein deshalb ungemein praktisch ist, weil man bei älteren Fahrgästen oder beim Ausladen von Gepäck einfach kurz raus- und wieder reinspringen kann und dabei nicht ständig das Gurtgefummel hat.

„Und natürlich auch im Falle eines Überfalls“,

fügt er hinzu.

Ich, möglichst cool:

„Joa, klar, das auch…“

Er daraufhin:

„Gut, mitten in der Stadt ist das natürlich ein Argument, aber mal angenommen hier: Wo würdest Du denn schon hinrennen wollen?“

Ich versuche ein Pokerface und hülle mich in Schweigen. Nicht die beste Idee, aber zweifellos besser als loszuheulen und um mein Leben zu betteln. 😉

„Davon abgesehen glaubst Du ja wohl nicht, dass Du wirklich schneller wärst als ich“,

lacht er arrogant.

Ich denke an meine vier Leichtathletik-Tennis-Basketball-peinlicher-Treppensturz-Bänderrisse und muss ihm zustimmen. Sage ich natürlich nicht und gebe stattdessen Gas. Irgendwann waren wir dann auch in Wangen und er stieg aus, als wäre nichts gewesen.

Kann das mal wieder aufhören? So macht’s echt keinen Spaß. 😦


Darf ich vorstellen?

13. Februar 2011

Es ist soweit. Unsere Firma ist nun zu einem Fünftel international. An diesem Wochenende hat man uns „endlich“ den Japaner übergeben. Und ich mich gleich mit. Gut, ganz so schlimm war’s nicht. Aber schön ist was anderes.

Noch dazu hat sich mein Chef doch tatsächlich zum Schaltgetriebe überreden lassen, um einer Wartezeit von weiteren fünf Monaten zu entgehen. Klar, er muss ja nicht damit fahren. Eigentlich ziehe ich das Schalten der Automatik sogar vor, aber als Taxi im ständigen Stadtverkehr ist es doch recht mühsam.

Ein paar erste Eindrücke:

 

Positiv:

[+] Neuwagengeruch 😉

[+] deutlich gesteigerter Fahrkomfort durch weiche Federung (≠ B-Klasse)

 

Negativ:

[-] Stoffsitze. Mehr muss ich nicht sagen, oder?

[-] penetranter Gurtpieper, der selbst im Stehen immer lauter wird und fast jedes Mal für allgemeine Verwirrung sorgte („Schnell raus, da explodiert gleich was!“)

[-] Alarmknöpfe nicht gefunden. Dachschildknopf nicht gefunden. Toller Ratschlag eines Kollegen:

„Lass halt aus.“

Genau, ein silberner Toyota ohne Außenwerbung – wer das nicht auf Anhieb als Taxi erkennt, muss blind sein. 😀

[-] gefühlte 0 PS. Kommentar eines Fahrgastes hierzu:

„Liegt wohl daran, dass es ein Kombi und kein Sportwagen ist.“

Nun, da könnte er Recht haben…

[-] Schlüsselerlebnisse der anderen Art. Es gibt zwei Schlüssel: einen zum Öffnen, einen zum Fahren. Der Kofferraum lässt sich nur öffnen, wenn man vorher das entsprechende Knöpfchen auf einem der beiden Schlüssel drückt. Nur auf welchem? Oder wenn einer der beiden Schlüssel steckt. Nur welcher? Und wenn dazu die Zündung an ist. Und dann auch nur manchmal. Oder so.

Ich gebe zu, meine Kritik ist hier wenig fundiert und basiert auf spontanem erfolglosem Ausprobieren. Ich bin sicher, da steckt irgendein kluges System dahinter, ich hab es nur noch nicht durchschaut oder in aller Ruhe ausprobieren können respektive wollen.

[-] Navigation: Design mangelhaft. (Fotoqualität auch, ich weiß.)

Es gibt zwei Buttons für das Navi-Menü. Einen davon scheinbar nur so zum Spaß und für irgendeine unübersichtliche Übersicht, mit dem anderen kann man dann auch mal was eingeben. Theoretisch. Ich hab nur mal ein paar Routen „dem Speicher hinzugefügt“, welche ich dann mühsam wieder löschen musste, aber navigiert hat mich nichts und niemand.

Wohlweislich hab ich mein privates TomTom mitgenommen, für alles andere bin ich offensichtlich zu blöd. Hier werde ich mich richtig einlesen müssen. Musste ich noch nie, deshalb an dieser Stelle ein dickes Minus.

Isses nich hübsch?

 

Peinlich: 

😦 An der Ampel ausgekuppelt und dann anfahren wollen. 

😦 Am Taxiplatz Schlossplatz vor versammelter Mannschaft den Motor abgewürgt. Den Rest der Nacht jedes Mal zwanghaft überprüft, ob nun der 1. oder der 3. Gang drin ist.

„Fängt ja gut an“,

meckerte meine Motivationshilfe vom Rücksitz aus. Als ich klarstellte, dass ich zum ersten Mal damit fahre, erkannte er versöhnlich und mit messerscharfer Intelligenz:

„Aha, ja okay, deshalb riecht der auch so neu.“

Nee, ich hab hier ein unsichtbares Duftbäumchen hängen. Pfff.

Ihr seht, meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Aber über ein nigelnagelneues Auto kann man dann doch nicht so laut meckern, wie man gerne würde…

Fazit: I’ll give it a try. Ich hab ja eh keine Wahl. 😀


Die Jugend von heute

8. Februar 2011

Dass am Trinkgeld gespart wird, ist in dieser Altersklasse nicht weiter verwunderlich und auch zumindest solange nachvollziehbar bis man erfährt, welche Summe im Laufe der Nacht „verflüssigt“ wurde.

Meine drei Prototypen sparten jedoch nicht nur am Trinkgeld, sondern auch gleich an Manieren, Humor, Artikeln und von Zeit zu Zeit an Vokalen.

Aber lest selbst. Wirklich schade, dass man das rasante Sprechtempo schriftlich nicht wiedergeben kann, aber ich habe mich trotzdem bemüht, mir deren herzallerliebste Ghettosprache anzueignen, damit ihr mein anspruchsvolles Belauschnis nachempfinden könnt. Es ist mir ein Rätsel, wie die sich untereinander verständigen können, ohne permanent nachzufragen.

„Bisch frei?“,

war der sympathisch-niveauvolle Opener. Ich hätte allzu gerne zur Notlüge

„Nein, verheiratet!“

gegriffen, aber darauf wollten sie zum Glück dann doch nicht hinaus. Ich war wohl zu alt, hatte meine Bibliothekarinnenbrille auf und las gerade ein Buch, als sie ans Taxi kamen. In allen Punkten durchgefallen. Und als sie erst mal saßen, war’s mit der Kommunikation auch schon wieder vorbei.

Schweigend cruisen wir also durch die City. Vom Rotebühlplatz bis vor zum Hauptbahnhof hab ich es ausgehalten, dann musste ich doch mal nachfragen, wohin es denn eigentlich bitteschön gehen soll.

„Krnwsthm“,

war die Antwort. Jetzt versteht ihr auch das mit den Vokalen. Ich dachte ja erst, mein Hörsinn laggt. Nach zweimaligem Nachfragen hat die Omma dann aber auch verstanden, dass Kornwestheim gemeint war.

Das Jüngelchen hinter mir, ich habe sie alle wohlweislich nicht so genau betrachtet, war jedenfalls zunächst mein Liebling. Der einzig Vernünftige, wie mir schien, als er verkündete:

„Ey, Bros, es tut mir äscht mal gut, das (hätte er diesen Satz schreiben müssen, er hätte sicherlich „das“ anstelle von „dass“ geschrieben, ich schwör‘) wir heute nirgendwo reingekommen sinn. Sonst wären wir jetzt hacke und die ganze Kohle wech, nä?“

Wenig später ruiniert er seinen guten Eindruck prompt, als es zum emotionalen Ausbruch

„Scheiße, Bros, ich muss heute noch was f*cken!“

kam. Daraufhin hat er auch direkt eine seiner Gespielinnen angerufen. Mit Floskeln wie „Hallo, wie geht’s Dir?“ oder Ähnlichem hielt er sich nicht lange auf, er kam gleich zur Sache:

„Mit wem bisch Du? Und wo geht ihr? Ahhh, geht ihr auch noch Mäcces?! Ja, wir auch, cool, Mann. Bis gleisch dann, nä?“

„Alda, die isch mit [weiblicher Vorname], [weiterer weiblicher Vorname] unn [weiterer weiblicher Vorname]. Einer von uns muss Doppelpack schieben, Bros, hehehe.“

Dazu ein anderer:

„Bittää? Doch wohl nisch die [oben genannter weiblicher Vorname]? Ey, da kriech äscht zu viel, wenn die nur den Mund aufmacht: Alda hier, Alda da…“

An dieser Stellte imitiert er den allseits bekannten Assislang. Es gelingt ihm verblüffenderweise auf Anhieb…

Endlich passieren wir das Kornwestheimer Ortsschild, mickrige 24,40 € stehen auf der Uhr.

Mein Beifahrer: „Ey, sinn wir aus Afrika gekommen oda was?“

Hach, was haben wir gelacht. (Da hätte mich dann aber doch mal interessiert, welche „ganze Kohle“ er meinte, hätten sie Einlass in einen Club gefunden.)

Nachdem der Fahrpreis mit vielen, vielen 50-Cent-Stücken exakt beglichen wurde, ging es ohne ein Wort des Dankes oder der Verabschiedung auf zu Mäcces. Erst ein paar Burger, dann ein paar Ischen vernaschen.

Härrlisch. Und zum ersten Mal bin ich froh, dass ich langsam, aber sicher auf Ende Zwanzig zugehe. Wäre das meine Auswahl, ich könnte gar nicht so viel essen wie … Na, ihr wisst schon.


Hansestadt Stuttgart

6. Februar 2011

Nachdem ich ein verheultes junges Mädchen nach Hause brachte, das mir schniefend ins Taxi stieg und

„Feuerbach, [Straße, Hausnummer]“

schluchzte („Ach komm, dort zu wohnen ist doch nicht so schlimm, dass man gleich weinen müsste, oder?“ – sie lachte, Mission erfüllt), stehe ich also mutterseelenallein an der roten Ampel Siemensstraße Ecke Maybachstraße.

Im Rückspiegel nehme ich eine zwielichtige Gestalt wahr, die von der Esso aus quer über die Straße torkelt, so zielstrebig wie promillemäßig nur möglich Kurs auf mein Taxi haltend. Hab mich inbrünstig aufs Grünwerden der Ampel konzentriert, leider vergeblich.

Er reißt die Beifahrertür auf und während er Mühe hat, sich zwar vornüber zu beugen, aber dennoch nicht ins Taxi zu fallen, kommt folgender Dialog zustande:

„Für 20 € nach Neuwiedenthal?“

Ich vermute ein Kaff in irgendeinem angrenzenden Landkreis:

„Wo ist das?“

„20 € sind das ungefähr.“

„Schön, aber wo ist das?“

„Neuwiedenthal!“

Okay, für Dreijährige:

„Welche größere Stadt ist da in der Nähe?“

„Hmmm. So bei Neugraben…“

„Hab ich beides noch nie gehört und ich kenne alles, wo man für 20 € hinkommt.“

„Das sind ganz sicher 20 €, darf ich mal einsteigen, ja?“

Er stieg dann mal ein und riet mir, das Navi anzuwerfen.

„Gib mal ein: H…straße.“

„Welche Stadt?“

„H…straße!“

„WELCHE STADT?!“

„Na, Hamburg natürlich!“

😀

„Wir sind hier in Stuttgart.“

„Echt? Egal, wie weit ist es nach Harburg? Wenn’s weniger als drei Stunden sind, mach ich’s!“

„Ich bin gut, aber so gut auch wieder nicht. Das sind über 600 km!“

„Hä, warum das?“

„Weil wir immer noch in Stuttgart sind. Stuttgart, Baden-Württemberg!“

„Hoppla, wie bin ich denn hier gelandet? Hm, weißt Du zufällig, wie der Typ heißt, der mich hierher gefahren hat?“

„Nee, der hat sich mir nicht vorgestellt…“

„Oh, das ist aber ganz schön unhöflich!“

„Wenn Du willst, bringe ich Dich zum Hauptbahnhof, dann kannst Du Dir dort überlegen, was Du machst.“

Wir fahren also Richtung Stadtmitte, eine Strecke, die mir unter normalen Umständen wesentlich kürzer vorkommt. Er wühlt in seinen Taschen, betrachtet einen Haufen 2-Cent-Stücke in der Hand und verkündet, er habe auf jeden Fall schon mal genug Geld! Na, Gottseidank.

Dann wünsche ich mir mal wieder vorübergehend ein Mann zu sein:

„Du bist lieb, ich mag Dich echt sehr gerne. So eine liebe Maus. Und sexy bist Du auch, das musst Du aber zugeben, ne?“

„Wenn Du das sagst.“

„Total! Ich mag Dich echt sehr, sehr gerne. Wir beide könnten so einen Spaß haben!“

„Ah ja?“

„Also, sexuell meine ich jetzt, ne?“

„Ah so.“

„Ja, so einen Spaß. OH MEIN GOTT! … Sexuell gesehen, weißte?“

„Ja, hab ich schon verstanden.“

– Stille –

„Da würde uns keiner in die Quere kommen!“

„???“

„Sexuell jetzt, meine ich.“

„Ach, immer noch.“

„Jaaaa, stundenlang, nur Du und ich. Was wir für einen Spaß haben könnten! OH MEIN GOTT!“

Endlich am Hauptbahnhof angekommen hab ich ihn hart aber herzlich vor die Tür befördert, nicht ohne ihm ganze 9,80 € abzuknöpfen. Mehr hatte er nicht. Aber nach Hamburg fahren wollen, tze.

„Tschüss, mein Schatz, bis später“,

ruft er mir beim Aussteigen noch zu. Bis später?! Das weiß ich zu verhindern und fahre für den Rest der Schicht einen großen Bogen ums Bahnhofsareal.

Und die Moral von der Geschicht‘: Alkohol verträgste – oder nicht.


Schrecksekunde

2. Februar 2011

„K2“ stand als Zusatz in meinem Auftrag und bedeutet Kindersitz für die 2. Altersgruppe, die Größeren. Säuglinge fährt man ja selten und wenn, bringen die Eltern den Kindersitz meist selber mit, in meinem Fall reichte aber das integrierte Hochklappdingens von Mercedes.

Das Kind wurde mir direkt in die Arme gedrückt, Ladung platziert und gesichert. So auch die Koffer. Zum Flughafen sollte es gehen.

Bereits nach wenigen Minuten turnt das Kind jedoch tatsächlich wieder abgeschnallt im Auto herum.

Ich, im Tenor ungefähr wie folgt, nur etwas netter:

„Seid ihr bescheuert? Schnallt sofort euer Kind wieder an, meine Fresse!“

Die Mutter wollte noch ernsthaft eine Diskussion mit mir anfangen, das Kind sei ja so quengelig im Kindersitz… Genau, lass es springen, Sicherheit wird sowieso überbewertet. Sie war der deutschen Sprache nicht so ganz mächtig, aber irgendwann hat auch sie verstanden, dass ein Kindersitz wirklich nur dann Sinn macht, wenn das Kind auch drauf sitzt. So weit, so gut.

Wir sind inzwischen auf der B27 unterwegs und unmittelbar an dieser Stelle: 

 

… passiert, was hier immer passiert: Irgendein Ortsunkundiger kommt von der Autobahn runter, fährt erst eine Weile ganz rechts und merkt dann hundert Meter vor der Ausfahrt, dass er gar nicht nach Echterdingen(-Nord) will und zieht rüber.

Für mich nichts Neues, schnell reagieren musste ich aber trotzdem, also gehe ich kurz, wenn auch mit Schmackes, auf die Bremse. In dem Moment nehme ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr, klappe aus Reflex meinen rechten Arm quer über die Lücke zwischen Fahrer- und Beifahrersitz, und was bleibt dort im Flug hängen? Das kleine Mädchen. Ein Fliegengewicht, wie ich es mir niemals hätte vorstellen können. Offensichtlich von den Eltern erneut losgeschnallt aus Gründen, die mir auf ewig verschlossen bleiben werden.

Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn ich zu spät reagiert hätte. Oder gar nicht. Oder zu doll gebremst. Mein Gott. Den Eltern stand der Schock wenigstens ins Gesicht geschrieben und das Kind saß – übrigens quietschfidel und vergnügt – bis zum absoluten Stillstand vor den Terminals brav angeschnallt im Sitz.

Wer solche Eltern hat, braucht keine Feinde mehr…


Auf die Größe kommt es an

2. Februar 2011

„Wenn man einen Riesen sieht, so untersuche man erst den Stand der Sonne und gebe Acht, ob es nicht der Schatten eines Pygmäen ist“, schrieb einst Novalis.

Angesichts der Tatsache, dass sich die Sonne während so einer Nachtschicht doch eher dezent im Hintergrund hält, schiebe ich der Einfachheit halber einfach alles mal auf den Alkohol.

Nachdem mein vorübergehender fahrbarer Untersatz von einer Fahrgästin im Greisenalter nämlich neulich in aller Liebenswürdigkeit als „Knutschkugel“ (traf nachvollziehbarerweise nun nicht direkt mein Komikzentrum) bezeichnet wurde, war ich doch überrascht, als ein dynamischer Typ vom Schlag Dipl.-Ing. bei Daimlers einsteigt und nach zwei Minuten genüsslichen Räkelns vermeintlich treffsicher vermutete:

„Was ist das hier eigentlich? E-Klasse, oder?!“

Yeah, the pride is back. 😀

Noch überraschter war ich allerdings, wie oft man mir dann im Laufe der Nacht doch wieder einreden wollte, mein kleiner Mercedes sei ein Großraumtaxi…

Erst lade ich am Perkins Park aus, wo ich zwanzig Meter weiter direkt wieder rangewunken werde. Wer den Perkins Park kennt, weiß um die Parksituation: Ich blieb spontan einfach mitten auf der Fahrbahn stehen. War ja kein Verkehr.

Und natürlich, wie das bei den entscheidungsgehemmten Partypeople eben so ist, musste sich erst einmal untereinander beratschlagt, dann Geld gesammelt und mit mir ein Pauschalpreis verhandelt werden. Bis sich dann plötzlich herausstellt: Ups, wir sind ja zu fünft.

„Kannst Du nicht? Geht doch auch nicht weit!“

Oaaah, jetzt soll ich mir sogar eine dieser seltenen Kurzfahrten entgehen lassen? Ob ich der Versuchung widerstehen kann? Trotzdem: Vergisses. Praktischerweise rollte just in diesem Moment von hinten ein Streifenwagen heran, standesgemäß mit Blaulicht, wohl aufgrund des Trubels auf der Fahrbahn, und ich ergreife einfach mal die Flucht. Sie sind mir nicht gefolgt. 😀

Am Nordbahnhof werde ich erneut angehalten. Eine unüberschaubare Zahl an jungen Menschen hüpft mir ins Auto, ich rolle los, werfe nach ein paar Sekunden einen Blick in den Rückspiegel und sehe drei, nein, oh Schreck, vier Köpfe! Ahhhh! Mein Fehler zwar, aber ist es nicht erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit sich diese Bohnenstangen stillschweigend bei mir ins Taxi quetschten? Nun, mein Gemotze durften sie sich anhören, die Uhr lief aber schon und ich war zu faul, die Fehlfahrt auf dem Abrechnungszettel aufzudröseln, also hab ich sie in aller Heimlichkeit (Achtung, Ironie) am Schlossplatz rausgelassen.

Ein paar Touren später fahre ich die Theodor-Heuss-Straße rauf und runter auf der Suche nach der letzten Kundschaft für diese Nacht, als an einer Ampel eine Gruppe auf mich zustürzt. Einer, wohl das nüchternste Exemplar, lehnt sich in den Beifahrerraum und fragt mit Engelszungen:

„Wir wollen nach Baach (Anm. d. Red.: Kaff am Ende der Welt in exakt entgegengesetzter Richtung von meinem Ablöseplatz – danke, Murphy!), aber wir sind zu fünft, ginge das?“

„Nein, tut mir leid, mach‘ ich nicht.“

„Och bitte, wir ducken uns auch, wenn wir in ’ne Kontrolle kommen.“

Genau, so ganz unauffällig… Und dann kotzt ihr mir in den Fußraum.

„Sorry. Ich kann zwar mal bei der Zentrale nach einem Großraumtaxi fragen, aber um die Zeit kann das schon ein Weilchen dauern. Sieht wohl so aus, als müsstet ihr euch zwei Taxis nehmen.“

Getuschel untereinander.

Ein anderer fragt:

„Macht er nicht?“

Mein Verhandlungspartner in fast ehrfürchtigem Ton:

„Es ist eine S I E !!!“

Hihi. Diese überdeutliche Klarstellung, wenngleich völlig kontextirrelevant, fand ich dann doch herzig. 😀

Der zweite Kerl kommt also an mein Fenster und juchzt:

„Ey, die kenn‘ ich! Hahaha!“

Verdammt! Weite Fahrt in Aussicht + bekannter Fahrgast = denkbar schlechteste Kombination. Heißt fester Freundschaftspreis, heißt kein Trinkgeld, heißt freundlich sein und Konversation machen.

Muss ich doch in einer Stadt mit 600.000 Einwohnern ausgerechnet einem Typen aus der Parallelklasse meines Abijahrgangs über den Weg fahren. Damals hatten wir zwar so ziemlich genau gar nichts miteinander zu tun, aber für eine günstige Heimfahrt kann man sich dann schon mal kurzzeitig opportunistisch zeigen, ne? Schnell war es dann auch mit der Loyalität unter Großraumtaxisuchenden vorbei und so hab ich ihn und seinen Kumpel für ’nen Apfel und ein Ei (und eine „Lass Dich knuddeln“-Umarmung, die mich eher an den Würgegriff eines Taxiräubers – so von hinten um die Kopfstütze herum – erinnerte) nach Baach gebracht. Der Rest der Truppe wird mindestens das Doppelte bezahlt haben.

Sein zufriedener Abschlusskommentar:

„Gib‘ mal Deine Nummer, jeder arme Student sollte seinen persönlichen Taxifahrer im Handyspeicher haben!“

Notiz an mich selbst: Freundeskreis auf ein Minimum reduzieren. Freundschaftsschließungen in Zukunft durch mürrischen Standardblick unterbinden.

Und liebe Kinder: Es gibt zwar nicht viele Großraumtaxis, aber es gibt sie. Die nehmen meines Wissens auch Vorbestellungen an, eben weil sie so begehrt sind. Einfach mal in der Zentrale fragen oder sich direkt eine Karte des Großraumtaxifahrers geben lassen. Wenn euch das zuviel Aktionismus ist, sucht ruhig weiter nach den wenigen überschaubar intelligenten Kollegen, die für Geld alles tun und auch schon mal mehrere Leute auf- oder gar ineinander gestapelt transportieren. Aber die goldene Regel nicht vergessen: Wer die Scheibe kaputt macht, zahlt. 😉