Ein Partychick reißt meine Beifahrertür auf:
„ZUM MASH???“
brüllt sie mich an. Ein Gehörlosenopfer der Clubgängergesellschaft, denke ich und nicke zum Zeichen der Zustimmung.
Sie steigt vorne ein, hinten nehmen ein, zwei, drei Weibchen Platz. Ein Männchen entledigt sich seiner eben angezündeten Zigarette („Was, man darf im Taxi nicht rauchen???“) und gesellt sich dazu.
Aufmerksame Leser dürften die Problematik bereits erkannt haben, meine Fahrgäste brauchten hierfür etwas länger, aber Fakt ist: fünf sind einer zu viel.
Als ich sie freundlich darauf hinwies, wurde ich von vier schrillen Frauenstimmen unisono zugetextet, ich möge doch bitte eine Ausnahme machen. Sie würden sich auch ducken. Zum Beweis kriecht die eine auf dem Beifahrersitz in den Fußraum. An Cleverness kaum zu überbieten: hinten vier Köpfe und vorne sitzt niemand. Brüller.
Ich gebe die Nummer der Zentrale für die Bestellung eines Großraumtaxis durch und bleibe konsequent.
„Kann es sein, dass Sie heute irgendwie schlecht drauf sind???“
vernehme ich von hinten.
„Überhaupt nicht, ich bin bestens drauf, wenn ich Fahrgäste habe, die bis vier zählen können. Und tschüss.“
Ich rücke am Taxiplatz entnervt auf, ein paar Momente später steigen drei der fünf Freunde ein.
„Oh, Sie schon wieder.“
Herrje, gleiches Auto, nur fünf Meter weiter vorne. Aber das lasse ich mal unkommentiert.
„Wie Sie sehen, haben wir uns jetzt aufgeteilt und nehmen zwei Taxis. Wir haben verstanden, dass wir vorhin einer zu viel waren.“
Wie aus dem Lehrbuch. Braves Kind.
„Sie sind übrigens die erste Taxifahrerfrau (ist das sowas wie Amtmännin?) die ich je gesehen habe – und dann auch noch so eine hübsche!“
„Na, jetzt übertreib mal nicht!“
wirft meine „Freundin“ von vorhin bissig ein. Sie ist wohl noch eingeschnappt.
Am Mash angekommen bezahlt mich eben jene. Den Fahrpreis von 7,90 € rundet sie erst auf 8,50 € auf, revidiert kurzerhand ihre Großzügigkeit und meint dann:
„Ach nee, acht reichen auch.“
Herzallerliebst. 😀
Dass es unter Frauen auch weniger stutenbissig zugehen kann, zeigt meine nächste Fahrgästin:
Sie klopft zaghaft an die Scheibe, öffnet die Tür und sagt leise:
„Ich will Sie eigentlich gar nicht stören, Sie lesen ja gerade ein Buch!“
Richtig erkannt, so verbringe ich meine Samstagabende am Liebsten: schön gemütlich im Auto mit der unbequemsten Rückenlehne ever, neben dröhnenden Bässen von der einen Seite und aufheulenden Motoren von der anderen an einer Hauptstraße stehend. Wer will da schon gestört werden – und das auch noch von zahlender Kundschaft?
„Aber ich würde gerne in die Liststraße. Ich weiß, es ist beschämend, das ist ja nur eine Kurzstrecke. Darf ich trotzdem mit Ihnen fahren?“
Sie durfte. Bin ich nicht nett? 😀
„Ich will nur noch nach Hause. Ich bin so betrunken… Oh, NEIN, NEIN!“
„Was ist denn?“
„Wie? Ach, ich bin so betrunken… Neeeeein, ich will nur noch nach Hause.“
„Wir sind doch gleich da.“
Sie in leidendem Tonfall:
„Ich finde Sie sooo sympathisch und deshalb muss ich Ihnen jetzt mein ganzes Geld geben (macht Sinn, ja ;))! Aber Frauen müssen zusammenhalten, fahren Sie mich gleich mal zur Bank, dann hole ich ganz viel Geld.“
Ich fahre also zur Bank, zumindest den Fahrpreis wollte ich dann doch.
Sie kommt nach wenigen Sekunden wieder raus, legt einen Zehner auf den Beifahrersitz und meint verschwörerisch:
„Falls mir irgendwas passiert, bezahle ich Sie lieber schon mal. Da sind nämlich ganz komische Männer in der Bank. Die verhalten sich sehr, sehr merkwürdig. Sowas hab ich noch NICHT erlebt.“
Scheinbar todesmutig wagt sie sich wieder in die Gefahrenzone. Ich riskiere einen Blick in die Bank und erwarte pöbelndes Pack à la U-Bahn-Schläger, sehe stattdessen zwei unauffällige Typen den Bankautomaten bedienen. Was immer sie getrunken hat, es war zu viel. Ein paar Minuten später sind wir am Ziel angekommen, die Fahrt macht 12,70 €.
Ich frage mich gerade, welches Geldbündel sie mir nach dieser Ankündigung in die Hand drücken wird, da reicht sie mir einen Zwanziger und sagt
„Dreizehn“.
Verdammt! 😉
Aus dem Taxi hab ich sie nur bekommen, nachdem ich ihr hoch und heilig versichert habe, die „sehr gefährlichen Ecken Stuttgarts“ zu meiden. Sie sei schließlich nur eine harmlose Alkoholikerin, aber bei den vielen bösen Menschen hier im Stuttgarter Süden könne man ja nie wissen…
„Wie die beiden vorhin in der Bank?“
werfe ich amüsiert ein.
„Um Gottes Willen! Jetzt muss ich mich aber beeilen, dass ich ins Haus komme, die sind mir bestimmt gefolgt. Da sehen Sie, so gefährlich ist es hier, passen Sie auf sich auf!“
sprach’s und verschwand.
Ein würdiger Abschluss meiner Nachtschichtphase, die nächsten Wochen fahre ich nun wieder tags. Mein Biorhythmus wird’s mir danken, aber die skurrile Kundschaft wird mir fehlen. 😉