Benebelt bis Haiter(bach)

29. September 2012

Es ist Wasenzeit. Das erkennt man einerseits an der plötzlichen Invasion von verdirndlten und lederbehosten Weiblein und Männlein, andererseits daran, dass sich in der Mercedesstraße alle zwei Meter Fahrgäste auf einen stürzen und ganz und gar nicht verstehen, warum man sie nicht mitnimmt.

So gern ich Winker habe, aber wenn fünf Meter hinter mir der Taxiplatz beginnt, darf ich nun mal niemanden einsteigen lassen. Ich kämpfe mich also mit aktivierter Zentralverriegelung – wer einmal sitzt, steigt nie wieder aus – durch  die Menschenmenge und muss am Zebrastreifen halten. Sehr gefährliches Pflaster. Da hämmert es auch schon von allen Seiten an meine Fenster.

„Frei?“

Kopfschütteln.

„Gleich dahinten ist der Taxiplatz.“

„Ja, aber bist Du frei?“

„Nein, ich darf euch hier nicht mitnehmen, geht bitte zum Taxiplatz.“

Ein stechender Blick ins Wageninnere. Meinen Korb nimmt er als persönlichen Affront:

„Aber ich sehe keinen Fahrgast!!!“

sagt er im „Verarschen kann ich mich allein“-Tonfall und zieht beleidigt von dannen.

Ein paar Kilometer später in der Innenstadt greife ich dann doch noch einen zünftigen Wasengänger auf. Er steht mit rotweißkariertem Hemd, Lederhosen, Hosenträgern und weißen Kniestrümpfen fasziniert vor einer Leuchtreklametafel und winkt, obgleich anscheinend der Welt entrückt, nach einem Taxi.

„Nach Herrenberg… Mehr als 100?“

„Nee, weniger. Um die 60.“

„Okay. Dann … bring mich nach Herrenberg!“

beschließt er staatsmännisch.

Kurze Zeit später:

„Können wir auch Nagold machen?“

„Wir können alles machen, wenn Du mich dafür bezahlst. 😉 Und wohin genau in Nagold?“

„Puh… Nagold halt. Ich weiß auch nicht, was es da für Straßen gibt. Ich sag’s Dir dann.“

*Alarmschrillen*

Bei so großen Fahrten lasse ich mir meistens die genaue Adresse geben. Zum einen fürs Navi, zum anderen als Sicherheit, falls am Zielort entweder der Fahrgast stiften geht oder sich sonstige Probleme beim Bezahlvorgang ergeben. Man sollte ja meinen, als Taxipreller wäre man clever genug, sich Fakeadressen und -namen einfallen zu lassen, aber – und ich spreche aus Erfahrung – dem ist nicht so. Man muss die Leute nur da abholen, wo sie stehen, und manche machen’s einem wirklich leicht.

„Ich wohne ja nicht direkt in Nagold. Ein Dorf weiter…“

So richtig festlegen wollte er sich aber auch hier nicht. Nach einer Anzahlung von 50 € war ich aber erst mal beruhigt und er fiel nach wenigen Sekunden in den Tiefschlaf.

Kurz vor Nagold stupse ich ihn mal an. Keine Reaktion.

In Nagold stupse ich ihn wieder an und flöte ihm ins Ohr. Sein Kopf kippt nach vorn.

Am Ende von Nagold stupse ich ihn mehrfach an. Erfolglos.

Die Uhr zeigt mittlerweile 80 € und ich habe keine Ahnung, in welche Richtung wir müssen.

Ich werde etwas rabiater, rüttele, schüttele und schreie. An seiner Stelle würde ich auch nicht aufwachen wollen. Als ich ums warnblinkende Auto herum gehe, seine Tür öffne und neben ihm kniend das Prozedere wiederhole, rollt von hinten eine Streife heran. Mit vereinten Kräften bekommen wir ihn wach und er scheint plötzlich wieder voll da zu sein. Einen Ausweis hat er nicht dabei, aber weil er friedlich wie ein Lämmchen dasitzt und alle Umstehenden beseelt anlächelt, fahren wir zu zweit weiter.

Er lotst mich zunächst scheinbar zurechnungsfähig durch ein paar Kreisverkehre und schläft dann wieder ein. Mitten im Satz. Aber diesmal bin ich schneller und mache ihn gleich wieder wach.

„Wohin jetzt?“

„Nooo.“

„Was?“

„No!“

Er lächelt mich an.

„Wo wohnst Du?“

„Wo bist Du denn jetzt?“

„In Nagold!“

„In Nagold bist Du?“

fragt er freundlich, als säße er nicht mit im Auto.

„Wohin musst Du?“

„Hauptbahnhof.“

Um drei Uhr morgens. Nie im Leben.

„Aha. Welche Stadt denn?“

„Stuttgart.“

Oje.

„Du kannst mich aber auch einfach hier rauslassen“,

bietet er an.

Da muss ich dann doch mal lachen. Er blickt sich indes um, als wäre er niemals hier gewesen. Nach weiteren Minuten bekomme ich zwar wieder keinen Ort, aber wenigstens eine grobe Wegbeschreibung. Sein Kopf wackelt erneut verdächtig hin und her, aber ich lasse ihn nicht einschlafen.

An einer geschlossenen Tankstelle mitten im Nirgendwo – kurz nach Iselshausen (damit sich auch wirklich jeder ein Bild machen kann, der Ortsname spricht hier für sich selbst!) – umgeben von Wäldern und Wiesen, zückt er sein Portemonnaie und will aussteigen.

Ich stecke erst mal die restliche Kohle ein. Alles, was er hat, aber nicht genug. Vier Euro schenke ich ihm notgedrungen. Dann schnalle ich ihn wieder an und rolle weiter.

„Komm, ich fahr Dich jetzt noch kurz nach Hause. Sag mir, wo Du wohnst!“

„Nein, nicht nötig. Ich laufe. Das ist vielleicht noch ein Kilometer.“

Langsam wird es anstrengend, aber ich kann ihn hier nicht ruhigen Gewissens einfach aussetzen. An jedem Wegweiser frage ich ihn, ob er in diesem oder jenen Kaffe wohne. Bei „Haiterbach“ endlich ein Treffer. In Haiterbach selbst will er wieder in der Ortsmitte aussteigen.

„Moment mal, hier jetzt oder bis nach Hause?“

fragt er unsicher.

„BIS NACH HAUSE!!!“

Dort angekommen bin ich mir nicht sicher, ob er sich das Haus nur willkürlich ausgesucht hat oder wirklich hier wohnt, aber dann verschwindet er tatsächlich in der Tür.

„Ach, und DANKE!“

ruft er mir noch nach.

Immer wieder gerne. 😉


Ich hab‘ ja sonst nichts zu tun

22. September 2012

Ich liebe das Taxifahren heiß und innig, aber gelegentlich könnte ich meinen Job und manche Mitwirkende echt an die Wand klatschen.

Die gestrige Schicht ließ sich zunächst ganz gut an, sogar mit einer Tour nach Böblingen, doch gegen 2 Uhr kam sie dann: die Pechsträhne. Und sie wollte gar nicht mehr aufhören.

Es begann mit einem Auftrag in die Landhausstraße, wo ich im strömenden Regen meine Kundschaft zweimal daran erinnern durfte, dass ich längst vor dem Haus stehe. Kein guter Anfang. Meine Laune schwand aber erst, als fünf junge Männer wie selbstverständlich in mein Taxi wollten, das – Überraschung: die Geheimsitze einer E-Klasse verstecken sich nicht im Kofferraum – leider kein Großraumtaxi ist.

Sie hätten aber eines bestellt:

„‚Für fünf Personen‘, habe ich extra noch gesagt.“

 Also habe ich die Zentrale angefunkt, um die Sache zu klären.

„Nein, hat er nicht!!!“,

war die kundenorientierte Antwort des Zentralisten. Wie auch immer, einer von beiden hat Mist gebaut und wer darf es ausbaden? Ich. Kein Wort der Entschuldigung von irgendwem, nur ein

„Wir zahlen die Anfahrt jedenfalls nicht!“

der Jungs

und ein pampiges

„Und was soll ich da jetzt machen?!?“

der Zentrale, wie immer dicht gefolgt vom Funkabbruch.

Aber gut, Fehlfahrten sind insbesondere nachts nicht gerade selten und einzeln durchaus zu verkraften, nur im Rudel wird’s irgendwann schwierig. Denn in Sillenbuch ging es direkt weiter. Ich warte seit einer gefühlten Ewigkeit auf die Vorbestellung und bekomme kurz vorher einen Auftrag, der – ich hatte schon so ein Gefühl – nur wenige Sekunden, nachdem die Vorbestellung an meinen Hintermann ging, widerrufen wird.

Zurück am Platz bekomme ich eine „600 Neuhausen“ – Abholung von außerhalb. Die darf man eigentlich wegen der weiten Anfahrt ablehnen, doch aufgrund der „600“ muss ich den Auftrag annehmen, da die Fahrt wohl nach Stuttgart gehen soll. Viele Minuten später in Neuhausen ist vom Fahrgast nichts zu sehen. Ich kurve über das komplette Industriegelände, passiere dabei mehrmals drei unheimliche Gestalten, die ich lieber mal nicht anspreche, weil sie wohl gerade ihren Drogengeschäften nachgehen, und funke dann die Zentrale an.

„Ich ruf den mal an“,

verspricht der Zentralist, doch anstatt einer Rückmeldung bekomme ich stillschweigend den Widerruf auf den Funk. Erst auf meine erneute Anfrage hin heißt es dann, der Fahrgast bräuchte doch kein Taxi mehr. Nach dem zweiten Funkabbruch mitten im Gespräch an diesem Abend war ich dann so richtig gut gelaunt.

Zurück in Sillenbuch habe ich zwar die glorreiche Position „0“, was bedeutet, dass ich vor allen anderen den nächsten Auftrag bekomme. Bringt mir aber in dem Moment so ziemlich genau gar nichts, da ich sowieso die einzige Idiotin bin, die sich noch frei in diesem Sektor aufhält. Die anderen Kollegen sind mit den sieben Aufträgen beschäftigt, die in der letzten halben Stunde, die ich sinnlos in Neuhausen verbracht habe, in Sillenbuch rausgingen.

Aber egal: neues Spiel, neues Glück. Wieder eine Vorbestellung. Ein Kollege fährt gerade auf den Platz, zwei Aufträge gehen zeitgleich raus. Er bekommt die Vorbestellung und ich bekomme – you’ve guessed it – eine Pflichtabholung außerhalb. Auf dem halben Weg nach Scharnhausen wird auch dieser Auftrag kommentarlos widerrufen. Ich bekomme wieder die „0“, die mir wieder nichts bringt, denn der Platz ist leer. Der Kollege fährt wohl gerade zum Flughafen…

Mein nächster Auftrag bot dann allerdings doch mal wieder einen Fahrgast, so richtig in Fleisch und Blut, der seine Erscheinung auch extra noch mal mit einem beruhigenden

„Ich bin da!“ 🙂

freundlicherweise für mich bestätigte, nachdem ich ihm mein ganzes Leid geklagt hatte.

Das sollten sie alle sein, die Fahrgäste: einfach mal da, wenn man sie braucht. Ich bin’s schließlich auch.


Den Abend hatte er sich anders vorgestellt.

9. September 2012

Ich kurve gerade noch etwas unentschlossen in der Kronprinzstraße rum, als sich mir von rechts ein abgehetzt wirkender Winker nähert. Er hat schon viel durchgemacht an diesem Abend, wie ich später erfahren sollte.

„Hey, bist Du frei?“

„Klar.“

„Okay, cool. Kannst Du ganz kurz warten? Meine Freundin liegt dahinten.“

Der Moment, in dem ich hätte Gas geben sollen. Aber ich habe ein weiches Herz und der Kerl tut mir leid, also rolle ich in die angedeutete Richtung, um Madame den Weg vom Asphalt ins Auto so unkompliziert wie möglich zu gestalten. Sie liegt tatsächlich zusammengekrümmt auf dem Boden und als er sie mit größter Mühe auf die Beine zieht, wobei sie um ein Haar wieder auf die andere Seite überkippt, rutscht mir die zugegebenermaßen etwas dümmliche Frage raus:

„Ihr ist aber nicht schlecht, oder?“

Nein, es geht ihr natürlich gut und sie liegt nur aus Spaß auf dem kalten Steinboden.

Er, im Brustton der Überzeugung:

„Hey, keine Angst, die kotzt nie, ich schwör! Nie im Leben!“

Sie steht mittlerweile wie ein Häufchen Elend zitternd und heulend neben dem Auto und scheint sich seiner Worte nicht ganz so sicher zu sein.

„Sie ist nierenkrank“,

fügt er noch hinzu, um sicherzustellen, dass ich es mir nicht doch noch mal anders überlege. Und er hat es geschafft: eine Nierenkranke stehen zu lassen, bringe ich dann doch nicht. Also fügen wir uns alle unserem Schicksal und nachdem sie ihn ankeift, er solle gefälligst zuerst einsteigen, sonst lege sie sich wieder auf den Boden, fahren wir los – nach Ludwigsburg. Nicht dass ich etwas gegen größere Fahrten hätte, aber warum gehen die in den meisten Fällen mit den ungemütlichsten Fahrgästen einher?

Unterwegs herrscht Stille, einzig unterbrochen von ihrem permanenten Schniefen und Wimmern.

Dann startet sie ihren anklagenden Monolog:

„Ich muss in die D-Straße! Nummer 47! Haben Sie das? HABEN SIE DAS? Wie lange noch? Ich will sofort nach Hause. Ich gehe nicht mit zu Dir nach Hause. FASS MICH NICHT AN! Rede nie wieder mit mir, okay?“

Sie klingt erstaunlich bösartig. An seiner Stelle würde ich ihrem Wunsch Folge leisten.

„Fass mich nicht an, verdammt!“,

heult sie noch mal und kippt in derselben Sekunde links über auf seinen Schoß. Dann ist Ruhe.

Aber in ihm brodelt es. Er hat leider keinerlei Gespür für diese offensichtliche „Einfach mal die Klappe halten“-Situation und lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen:

„Was hab ich Dir denn getan?!“,

schreit er zurück.

„Ich hab Dir nichts getan! Du tust hier so, als hätte ich Dich vergewaltigt, ich mache doch gar nichts!“

Er wiederholt:

„Was hab ich Dir getan, verdammt?“

Ich denke: Was habe ICH getan, verdammt? Und warum ist hier nur Tempo 80?

Endlich am Ziel angekommen hat zumindest er sich scheinbar beruhigt.

„Ich zahle das, ich muss eh noch weiter, Du kannst aussteigen.“

„Nein, ICH zahle.“

„ICH zahle das, ich muss doch sowieso noch WEITERFAHREN! Steig aus jetzt!“

Er greift an ihr vorbei, öffnet die Tür und versucht sie aus dem Auto zu schieben.

Sie hängt mit dem Oberkörper im Freien und brüllt:

 „Also entweder schlage ich Dir jetzt die Fresse ein oder Du lässt mich meinen Scheiß selber zahlen!“

Er schubst sie beherzt weiter.

Ich formuliere in aller Herzensgüte die freundliche Bitte, sie doch – wenn irgend möglich – lieber nicht aus dem Auto zu stoßen, und erkundige mich außerdem wohlwollend nach seinem Geisteszustand. Den genauen Wortlaut möchte ich hier nicht wiedergeben, schön war es nicht. Aber es wirkt.

Sie zahlt und verschwindet, er fährt eine Ortschaft weiter.

Auf dem Weg dorthin erzählt er mir, dass es heute sein erstes Date mit ihr war.

„Und wohl auch das letzte…“,

fasse ich sachlich zusammen.

Meine Sorge um sein gebrochenes Herz ist allerdings unbegründet, denn sein Fazit fällt wie folgt aus:

„Ach, weißt Du, das ist mir alles egal. Mir rennen tausend Frauen hinterher. Ich weiß, ich sehe gut aus. Ich wurde sogar im ‚Kings Club‘ von irgendwelchen Typen angemacht, SO gut sehe ich aus! Ich wollte ihr nur eine Chance geben, aber das kann sie jetzt stecken. Es gibt nur eine Sache, die mich an der ganzen Sache nervt: dass ich’s mir jetzt heute Nacht selbst machen muss.“

Äh, ja. Männer. 😐


Agathe Bauer im Taxi

8. September 2012

Eine kleine Marotte habe ich mir ja im Laufe der Zeit angewöhnt. Ich wiederhole immer noch mal das vom Fahrgast gewünsche Fahrtziel, um so im Zweifel einen Übertragungsfehler und die sich daraus ergebende Odyssee vermeiden zu können.

Gut, bei „Flughafen“ schenke ich mir das zwar, aber ansonsten meldet sich selbst bei der noch so klar artikulierten Straße der Echo-Reflex. Meistens unnötig und dicht gefolgt von einem müden „Ja. (Habsch doch grade gesagt…)“, aber für den Fall der Fälle, so dachte ich … nein, da hilft es dann leider auch nicht.

So fuhr ich schon von der Innenstadt nach Cannstatt, um kurz vor Erreichen der Normannstraße plötzlich vom Fahrgast immer weiter weg vom Ziel gelotst zu werden – nach Steinhaldenfeld in die Naumannstraße. Wenigstens war’s grob dieselbe Richtung. 😀

Richtig lustig wird es allerdings, wenn die Fahrgäste der deutschen Sprache nicht mächtig und zudem ortsunkundig sind. Einen amüsanten Dialog der Kategorie „Gerade noch mal gut gegangen“ hatte ich gestern in Plieningen:

Abholung von einem Hotel, eine kleine Frau mit einem doppelt so großen Koffer steigt ein.

„Zum Bahnhof, bitte.“

Aufgrund der übertrieben kurzen Entfernung zur U-Bahn-Haltestelle in Plieningen und des schweren Koffers schlussfolgere ich:

„Hauptbahnhof, ja?“

„Ja ja, Bahnhof, ja.“

Ich fahre langsam in Richtung Filderlinie, da meldet sich meine weibliche Intuition.

„Also, jetzt noch mal: H-A-U-P-T-Bahnhof, ja?“

„Ja ja, Bahnhof, ja.“ … „Plieningen“,

schiebt sie nach.

Also doch. Da weint das Taxifahrerherz.

„Puh, da haben Sie ja noch mal Glück gehabt. Jetzt wäre ich mit Ihnen fast zum Hauptbahnhof gefahren.“

Sie, entrüstet:

„WAS?! Viel su teuer mit Taxi, fahren mit U-Bahn in Stadt. Is besser.“

Ja, ist besser. Der ÖPNV ist und bleibt halt doch des Taxifahrers größter Feind.

Ein nicht so ganz tiefenentspanntes Erlebnis hatte ich dann im Laufe der Nacht noch in der Immenhofer Straße. Drei angetrunkene Männer fielen vom afrikanischen Restaurant direkt in mein Taxi.

„Marienplatz.“

„Marienplatz?“

„Ja. (Habsch doch grade gesagt…)“

Ich fahre also die Immenhofer hoch und will dann auf die Filderstraße abbiegen, als von hinten der Einwand kommt, ich hätte doch auch beim Restaurant wenden und nach unten fahren können. Meine Erklärung, dort könne man aber nicht links Richtung Marienplatz abbiegen, wird scheinbar anstandslos geschluckt.

In der Filderstraße höre ich allerdings irgendwas von „Stuttgart bei Nacht … schön … sehen wir auch mal was … Stadtrundfahrt“.

Ich habe tausend Fragezeichen im Kopf und zweifle mal wieder ernsthaft an der Wahl meiner Route. Selbst wenn es eine bessere, mir unbekannte, geben sollte, sooo falsch kann sie gar nicht sein. Kurz darauf sind wir auch schon da, aber als keiner Anstalten macht, auszusteigen oder das Portemonnaie zu zücken, drehe ich mich skeptisch um und sehe in ebenso fragend dreinblickende Gesichter.

„Marienplatz“,

sage ich, als wäre das unter dem überdimensionalen Haltestellenschild noch nicht offensichtlich genug.

Einer der Fahrgäste auf den hinteren Plätzen wird plötzlich ungemütlich und brüllt:

„Malina!! Malina!! Malina Plaaatz!!!“

Es folgen ein paar (vermutlich) Voodoo-Flüche in ausländischer Sprache.

Da fällt dann auch bei mir der Groschen, wir sind falsch. Dabei habe ich extra so schön nachgefragt, aber wie so oft hört mir einfach niemand zu. Der „Berliner Platz“ wäre das Ziel der Wahl gewesen. Jetzt macht auch die Frage Sinn, warum ich beim Restaurant nicht gleich gewendet habe. Aber mei… Ich entschuldige mich einmal, zweimal und beim dritten Mal ohne Besänftigung mittlerweile etwas unwirsch, ziehe aber am Ziel angekommen freundlicherweise fünf ganze Euros ab.

„5,20 €, bitte.“

„Fumunswansik???“

Einem der Männer platzt gerade die Hutschnur und er beugt sich von hinten bedrohlich dicht zu mir in den Fahrerraum, da drückt mir der Beifahrer schnell 8 € in die Hand und zieht seine Freunde aus dem Taxi.

Ob ich mir in Zukunft das Fahrtziel schriftlich bestätigen lassen sollte? Kann ja wohl nicht wahr sein…


Ich trink‘ Ouzo, was machst Du so?

8. September 2012

It finally happened. Also, fast. Nach über sechs Jahren Taxikarriere hat der erste Fahrgast in mein Taxi gekotzt. Also, fast.

Der nicht ganz so betrunkene Freund der doch sehr betrunkenen („Nur ein Ouzo, aber schau uns an!“) Fahrgästin schrie in die nächtliche Stille hinein:

„STOP!“

Als das schon etwas geistig umnachtete Kleinhirn der Taxifahrerin dann auch mal gecheckt hat, dass es sich zweihundert Meter vor der anvisierten Adresse noch nicht um das Ziel (= gemächliches Ausrollen), sondern um einen Zwischenfall biochemischer Reaktion handelt (= Vollbremsung), ging alles ganz schnell.

Taxi steht. Tür geht auf. Magen entleert sich auf der Rankestraße (sorry, lieber Anwohner).

Der Schwiegervater von „Kläre“ zeigt sich unbeeindruckt: „So, und jetzt Speed“ – bis vors Gartentor.

Kläre steigt aus und torkelt davon. Ich untersuche das Taxi kurz auf unappetitliche Hinterlassenschaften, aber die liebe Kläre hat gut gezielt.

„Gute Reaktion!“, lobe ich den Freund.

„Sie aber auch!“ gibt er anerkennend zurück.

Wenn’s nur immer so laufen würde…