Satz mit X

31. Dezember 2010

Heureka! Endlich, nach fast fünf Jahren im Geschäft, konnte ich den Witz mit dem wohl längsten Bart im Taxigewerbe anwenden.

Die Steilvorlage wurde mir zwar bereits einige Male geliefert, die Rahmenbedingungen waren dabei allerdings stets ungünstig, handelte es sich doch fast ausschließlich um angeschickerte und frustrierte, da nicht von irgendwelchen 3er-BMW-Proleten abgeschleppte Weibchen im gerade so gebärfähigen Alter, die a) mich keines zweiten Blickes würdigten und b) sowieso keinen intellektuellen Zugang zu diesem Jokus gefunden hätten. Davon abgesehen wäre die Pointe von Frau zu Frau auch nicht so wirklich gut angekommen, hätte man das Ganze mal zu Ende gedacht.

Jedenfalls stieg mir gegen vier Uhr morgens ein Fahrgast ein, zweifelsohne männlich, im halbdunklen Laternenschein auch ganz attraktiv und Schätzungen zufolge altersmäßig im Rahmen meines Beuteschemas, der mein

„Wo soll’s denn hingehen?“

doch tatsächlich mit

„Nach Hause.“

beantwortete.

Was wiederum natürlich mein möglichst verführerisch anmutendes

„Zu Ihnen oder zu mir?“ 😉

zur Folge hatte.

Doch was bekam ich dafür, nachdem ich mutig in die Offensive gegangen bin? Ein müdes Lächeln. Und seine Adresse, ganz emotionslos.

Zugegeben, das nächste Mal sollte ich vielleicht keinen stocknüchternen Nachtbusfahrer fragen, der nach seiner Schicht aus der SSB-Zentrale wankt und nur noch ins Bett will, aber trotzdem: Hmpf.

Am Augenaufschlag konnte es aber ganz entschieden nicht gelegen haben, nachdem mich meine Fahrgästin zuvor über mehrere Minuten von der Seite betrachtete und dann ganz fasziniert meinte:

„Sie haben ja echt wunderschöne Wimpern. So lang und gebogen!“

Abgefahrenes Kompliment. 😀

 

Und nun zu Silvester: Heute Nacht ist leider keine Schicht für mich frei, weshalb ich morgen früh ab sieben durch vermeintliche Kriegsgebiete über Scherben und Böllerreste hinwegrollen werde und sicherlich auch die ein oder andere Alkoholleiche nach Hause kutschieren darf.

Klingt aber erstaunlicherweise fast schon besser als meine letzte Silvesternachtschicht 2008/2009.

Ihr erinnert euch: Die Straßen waren eine Eisbahn und um Punkt 0:00 (ich schwöre!) laut Digitalanzeige im Auto rutschte ich mit zwei älteren Fahrgästen, die absurderweise um 23:52 ein Taxi bestellten und sich von Freunden aus auf den Heimweg machten, am Hang rückwärts in ein anderes Auto.

Umsatz damals waren knappe 150 € bis ich um vier Uhr fluchend nach Hause geschliddert bin. Drecksnacht. Heute gibt es nur mich, meine Couch und um Mitternacht eine Wunderkerze.

Ich wünsche euch allen einen tollen Start ins neue Jahr. Bleibt mir gewogen. 🙂


Der Fluch

25. Dezember 2010

Die gute Nachricht zuerst: Weihnachten ist mein kleines Silvester!

Super Tagesumsatz von knapp dreihundert Euronen eingefahren, vierzig Euro Trinkgeld eingeheimst, tolle Fahrgäste („Sie sind mein Weihnachtsengel!“), gerade mal fünf Minuten Pause, in denen ich meine Brezel praktisch ungekaut geschluckt habe, dann ging’s auch schon weiter, trotz teils komplett ungeräumter Hauptverkehrsstraßen nirgendwo steckengeblieben oder draufgerutscht – hab mich mit meinem B-Klasse-Frontantrieb souverän durch die Schneeberge gekämpft.

Der Großteil meiner Kollegen allerdings hatte heute wohl nicht sonderlich viel Lust auf Geldverdienen, die meisten blieben Zuhause und so waren den ganzen Tag über nie mehr als 150 bis 200 Taxis gleichzeitig am Funk – normalerweise sind es um die 400. Dafür gab es bis zu zwölf Vorbestellungen in einem Sektor binnen einer Stunde und kein Taxi weit und breit. Das gibt’s sonst nie, außer eben an Silvester, weshalb ich auch jedem Fahrgast ausführlich darauf hinweisen musste, was für ein Glückspilz er doch sei, sich in diesem Moment in (m)einem Taxi wiederzufinden. Und vor lauter Glückseligkeit war die Stimmung heute irgendwie immer echt toll.

Einziger Wermutstropfen: Allermickrigstes Trinkgeld von einem ranghohen Stuttgarter Politiker, den ich nun ausgerechnet schon das zweite Mal in meiner Taxikarriere chauffiert habe. Kein kluger Schachzug hinsichtlich der kommenden Landtagswahlen – so schnell verliert man Wähler. 😉

Aber nun kommen wir zum Weihnachtsfluch:

Um halb sieben stelle ich hochzufrieden mein Taxi ab, zu diesem Zeitpunkt noch voll funktionsfähig, mache mich in meinem Auto mit repariertem Scheibenwischer auf den Weg auf die Bundesstraße, wo mir der linke Vorderreifen platzt, ich zwei Stunden auf den ADAC warten muss, mein Auto zur Werkstatt geschleppt wird, ich (mal wieder) auf der Beifahrerseite mit dem Taxi nach Hause fahre und für die nächsten Tage fest mit einer Lungenentzündung rechne.

Aber das war ja wieder klar: Wenn einmal was ist, hat man weder Jacke noch Handy dabei, muss mit unpassendem Schuhwerk durch den Schnee zur Notrufsäule stapfen respektive andere Autos anhalten und klappert so sehr mit den Zähnen, dass man von der Person am anderen Ende der Leitung fast nicht verstanden wird.

Ungefähr zeitgleich beginnt mein Nachtfahrer mit seiner Schicht, doch plötzlich: Elektronik futsch, Auto tot (Getriebe wurde erst vor zwei Tagen gerichtet), ich morgen frei. Was eigentlich erfreulich wäre, müsste ich mir nicht einen neuen Winterreifen leisten, der zurzeit so viel kosten soll wie normalerweise vier davon.

Ein anderes Taxi von uns fährt jüngst mit einer exorbitanten Delle durch die Gegend. Ich ging bisher von einem schnöden Zusammenstoß aus, dabei hat ein betrunkener Fahrgast randaliert und die Tür mit dem Fuß eingetreten, als sich mein Kollege beim Streit um den Endpreis ins Taxi geflüchtet hat. Mit dem Fuß! Wie kriegt man das bitte hin ohne sich dabei einen komplizierten Splitterbruch zuzuziehen (was ich für den Übeltäter doch schwer hoffen will)? Übrigens derselbe Kollege, der von einem anderen aufgebrachten Kunden Irren mit dem Taxischild die Nase gebrochen bekam. Entweder macht er was falsch, wovon ich nicht ausgehe, weil er ein ganz netter Kerl ist, oder er hat unglaubliches Pech mit seinen Fahrgästen.

Und für meinen Chef geht das Jahr nun auch echt bitter zu Ende. Nach und nach fallen alle unsere Taxis aus, und nach meinem Werkswageneklat fährt selbst das Ersatztaxi rund um die Uhr, sodass er spontane Ausfälle der anderen Autos nicht mal mehr ausgleichen kann. Alles doof.

Daraus folgt: Jemand hat mich und meine Firma verflucht. Müsste ich es zeitlich eingrenzen, würde ich sagen: Seitdem ich blogge. Also, wer von euch war es? 😉

Möge das nächste Jahr besser werden. All meine Hoffnungen setze ich nun auf den Toyota! Ähhhh, nein. 😀


Frohe Weihnachten!

25. Dezember 2010

Ich wünsche allen Lesern und ganz besonders den vielen tollen Kommentatoren dieses Blogs ein schönes Weihnachtsfest exklusive Zwangsübernachtung am Flughafen, in Zügen oder auf der Autobahn. 😉

Heute und morgen werde ich mich mal auf die Straße wagen und hoffentlich emsig Mitleidstrinkgeld einstreichen. Über Nacht sollen bis zu vierzig Zentimeter Neuschnee fallen, aber man muss ja auch unbedingt immer weiße Weihnachten haben wollen – tja, liebe Leute, das kommt dabei raus.

In diesem Sinne: Lasst das Auto stehen und fahrt Taxi. Ein paar wenige Menschen, die sich zwangsweise auf der Straße herumtreiben, werden sich freuen.

Aber bis es so weit ist, hab ich noch ein paar Stunden, die ich in einem meiner Weihnachtsgeschenke verbringen werde:

😀


Zuerst kein Glück und dann auch noch Pech

18. Dezember 2010

 Liebes Schicksal,

ich sehe ein, es kann nicht immer so gut laufen wie die letzten Wochenenden.

Ich weiß auch, in keinem anderen Job ist man dem Zufallsprinzip hinsichtlich der Fahrgäste, den dazugehörigen Touren und dem daraus resultierenden Tagesumsatz sowie der extrem aggressionsfördernden Ampelschaltung (deretwegen ein Kollege vor einem auf den Taxiplatz fährt, sich positioniert und fünf Minuten später einen Auftrag bekommt, während man selbst noch eineinhalb Stunden länger warten muss) derart ausgeliefert, aber das heute musste dann doch wirklich nicht sein, oder?

Aber lest selbst, eine Aneinanderreihung von kleineren und gegen Ende auch noch größeren Ärgernissen der Pechmia.

Meine Touren waren Scheiße. Durch die Bank.

Als mein Wecker um sechs Uhr klingelte, hab ich mich noch mal umgedreht und somit erst kurz vor acht angefangen.

Meine erste Fahrt hatte ich dann um 10.30 Uhr für 7,50 € (vom Friseur nach Hause). Die zweite Fahrt für 13,10 € (von Zuhause zum Supermarkt) und die dritte für 13,40 € (vom Supermarkt nach Hause – gleiche Kundschaft, hab ein Piccolöchen geschenkt bekommen, war nett). An die vierte Fahrt kann ich mich nicht mal mehr erinnern, was bei mickrigen 6,20 € nicht weiter verwunderlich ist.

Dann hat mich eine höhere Macht kurz verarscht und mir, als ich deprimiert an einer Ampel stand und in Feierabendgedanken schwelgte, einen Auftrag beschert. Als ich drei Minuten später am Hotel vorfuhr, war mein Fahrgast bereits weg – schönen Dank an das Kollegenschwein, das ihn mir weggeschnappt hat -, was ich allerdings erst fünf Minuten später erfuhr, da sich die Hotelangestellte sicher war, der Herr sei noch auf der Toilette, und ich wartete und wartete und wartete, bis die Hoffnung starb.

Als ich wutschnaubend den zwanzig Meter entfernten Taxiplatz am SI-Centrum anfahren wollte, hat sich direkt ein anderer Kollege vorgedrängelt, aber ich bekam aufgrund der Fehlfahrt wenigstens die erste Funk-, wenn auch nicht Standposition. Bei einem Einsteiger hätte ich Pech gehabt, der erste Auftrag würde jedoch an mich gehen. Dieser kam dann auch kurze Zeit später aus dem Nachbarsektor Möhringen, den ich dankbar angenommen habe, und wo durfte ich abholen? Richtig, an einer Kneipe.

Ich fahre die Kneipe an, der Wirt guckt schon aus dem Fenster und ruft meinem Fahrgast zu:

„Oh, eine Schnecke!“ 

Da sind meine Mundwinkel direkt wieder nach unten gesackt.

Besagter Herr kam dann auch alsbald auf die Straße getorkelt und lallte irgendwas von wegen:

„Weißte, wenn Du mir mein Auto aufschließen würdest, könnte ich vielleicht sogar selbst fahren, oder? Ach, ich weiß nicht. Das mach‘ ich lieber nicht, oder was meinst Du?“

Ich: „Hahaha, ja, nee, genau. Lieber nicht, ne?“ Gähn.

Er hat sich dann noch kurz in den Schnee gelegt und sich lauthals beömmelt. Ich lachte mit. Dachte er. Anlachen und auslachen sind halt zwei Paar Schuhe, aber nach dem einen oder anderen Glas vermag man da nicht mehr zu differenzieren.

Eigentlich wollte er zum Fasanenhof, als wir zweihundert Meter nach dem Losfahren einen Kreisverkehr passierten, entschied er sich aber spontan für eine andere Richtung und wollte mich mit den Worten:

„Jetzzzz gibt’s Ärger…“

in einen Hinterhof lotsen. Hab mich dann halb auf dem Gehweg, halb im Hof stehend geweigert und wollte wissen, was Sache ist.

Ich: „Was machen wir hier?“

Er lallend: „Wir gehen jetzt was trinken!“

Ich: „Nein, das machen wir nicht.“

Er insistiert: „Ohhhhhhh…“ Röchel. „Doch.“

Ich: „Dann bezahlen wir jetzt mal.“

Er belustigt: „Hä, hast Du etwa Angst oder was???“

Ich: „Nö, aber hier ist scheinbar Endstation und ich will jetzt mein Geld.“

Er beim Aussteigen: „Keine Sorge, Mäuschen, ich würde nieee. Nieeee würde ich…“

Er stolpert in den Schnee, verliert sein Portemonnaie und ruft einem Mann zu, der ihm entgegen kommt, er solle mich doch bezahlen.

Typ: „So, dann machen wir mal ein Bisschen Trinkgeld.“

Ich seufzend: „Das will ich auch hoffen.“

Typ lachend: „Ja, das ist doch klar. Der ist immer anstrengend. Und jetzt hab ich ihn an der Backe!“

Gott sei Dank, möchte ich hinzufügen.

Mittlerweile haben wir halb fünf, zu früh für Feierabend, zu spät um noch in die Stadt zu fahren. Also warte ich eine Dreiviertelstunde auf eine Vorbestellung am Europaplatz, gewillt, dem Schicksal noch eine Chance zu geben. Für 11,30 € komme ich dann nach Vaihingen, fahre danach zum Ablöseplatz, steige mit glorreichen 57,60 € Tagesumsatz in mein Auto, betätige den Scheibenwischer und … ein Teil kracht ab und fliegt in hohem Bogen in den Schnee. Hallelujah. Mein Auto ist fünf Monate alt, deutsche Wertarbeit, gehobene Mittelklasse – was also soll der Scheiß? Da war nicht mal was gefroren. Ich steige aus, fummle in tiefschwarzer Dunkelheit erfolglos an den Scheibenwischern rum und als ich gerade überlege, ob ich ohne das Teil über die Autobahn nach Hause komme, fängt es an dicke Flocken zu schneien.

Ich stapfe zur Bushaltestelle – Bus weg. Ich wage mich mit meinem Auto über die B27 nach Degerloch in Richtung U-Bahn und sehe ein: Autofahren ohne Scheibenwischer geht echt gar nicht. Der Taxiplatz in Degerloch liegt direkt neben dem Eingang zur U-Bahn-Station, sehr verlockend also, aber ich wollte vernünftig sein und löse mir ein Ticket für 2,45 € zum Hauptbahnhof. Das erste Mal seit fünf Jahren und das geschätzte dritte Mal überhaupt in meinem Leben fahre ich U-Bahn. Am Hauptbahnhof angekommen fühle ich mich so ein Bisschen wie in „Aus dem Dschungel in den Dschungel“ und als ich endlich die Rolltreppe zur S-Bahn-Station erreiche, steht da: „S1 – 0 Minute(n)“. Haha. Warum nicht gleich „-1 Minute(n)“, damit es auch so richtig schön weh tut?

Da hatte ich dann endgültig die Schnauze voll, stapfe vor mich hin fluchend durch den Schnee zum Steigenberger oder vielmehr dem davor liegenden Taxiplatz, in just jener Sekunde kommt ein Taxi angefahren und ich springe hinein. Speziell nach meinem letzten Eintrag freue ich mich in diesem Moment ganz besonders, mal wieder Taxitester spielen zu dürfen. Diesmal war ich jedoch inkognito unterwegs, sonst erzähle ich meistens gleich, dass ich auch fahre, um vielleicht noch einen Freundschaftspreis rauszuschlagen.

Mein Taxifahrer gab sich eher wortkarg, fuhr sogleich mit Kick-Down an und hielt mit Vollgas auf einen über die Straße rennnenden Fußgänger zu. Wenigstens wurde mir dadurch wieder warm. An der nächsten roten Ampel rollt er nervös Stück für Stück vor, sodass er eigentlich schon mitten auf der Kreuzung stand, als es endlich grün wurde. Den Rest der Fahrt fasse ich mal zusammen mit: Drängeln, rasen, rechts überholen, Gas geben und gleich wieder abrupt abbremsen, alle zehn Sekunden die Scheibenwischanlage bedienen. Herrlich.

Auf halber Strecke kommt von ihm ein halbherziger Gesprächsversuch:

„Ist ja doch noch ganz schön warm geworden.“

Ich blicke irritiert auf die Temperaturanzeige: -3° C. Okay, heute Morgen hatten wir -10° C, insofern hat er dann doch irgendwie wieder Recht.

Zuhause angekommen gebe ich 12% Tringeld und was sagt er? NICHTS. Kein Sterbenswort des Dankes. Ich wollte ihm daraufhin mein Geld schon fast wieder aus der Hand reißen. Dafür zeigt er mir beim Aussteigen dann seine fürsorgliche Ader:

„Vorsicht, es ist glatt.“

Sag bloß. Schneeberge, wohin das Auge blickt, aber das hätte ich jetzt nicht gedacht… Meine soeben berechnete Umsatzbeteiligung befindet sich jedenfalls im Geldbeutel meines Taxifahrers, ergo: Der Tag war voll umsonst. Aber wenn man es unbedingt krampfhaft positiv sehen will, ich hab immerhin keine Verluste gemacht.

Bleiben nur noch einige wenige Fragen offen:

1. Wie komme ich morgen früh zu meinem Taxi? 

2. Wie komme ich morgen Abend von meinem Taxi zu meinem Auto? 

3. Wer repariert an einem Sonntag meinen Scheibenwischer?

4. Falls ich niemanden finde, der ihn repariert, wie komme ich von meinem Auto nach Hause?

Vorschläge werden bis morgen früh dankbar entgegengenommen.

Und jetzt suche ich den Ort auf, wo ich heute Morgen einfach hätte bleiben sollen: Mein Bett.


Gemeingefährliche Kollegen?

15. Dezember 2010

Was wir alle wissen: Taxifahren ist gefährlich. Was ich mich neuerdings frage: Aber für wen eigentlich?

Wenn ich nachts fahre, höre ich beim Einsteigen fast immer sowas wie:

 „Oh, eine Frau!“

Männer sind meist erfreut, Frauen hingegen erleichtert, was nicht zuletzt der häufige Zusatz

„Gott sei Dank!“

vermuten lässt. Um ehrlich zu sein, ich hab das nie so ganz verstanden. Okay, nachts ist es dunkel und da ist man als Frau nur ungern allein unterwegs, aber kann das wirklich alles sein?

Auch schon gehört:  

„Meine Freundin würde nie allein in ein Taxi steigen. Die läuft lieber durch verlassene Straßen nach Hause, als sich ein Taxi zu nehmen.“

Oder:

„Taxi fahre ich nicht. Ich lasse mich abholen oder warte auf die erste Bahn, aber Taxifahren ist mir nicht geheuer.“

Außerdem:

„Bevor ich in ein Taxi steige, rufe ich immer jemanden an und sage demjenigen dann die ganze Fahrt über, wo wir jetzt gerade langfahren.“

Ist das übertriebene Panikmache oder gerechtfertigtes Misstrauen? Wie sind eure Erfahrungen? Würde mich wirklich interessieren.

Meine privaten Taxierlebnisse sind für statistische Erhebungen leider nicht von großem Nutzen, da ich nur sehr selten und meist tagsüber privat Taxi fahre. Nicht, weil ich mich nachts nicht trauen würde, es ergibt sich nur nie. In den allermeisten Fällen waren meine Fahrer mittelfreundlich bis extrem muffelig, was zwar nicht schön ist, aber um meine körperliche Unversehrtheit brauchte ich als Fahrgast bislang nicht zu fürchten.

Jedenfalls hake ich inzwischen fast immer nach, wenn ich eine solche Bemerkung höre. Und mir werden haarsträubende Geschichten zugetragen:

Eine junge und auffallend hübsche Frau, die ich vor Jahren erstmals chauffierte und seitdem regelmäßig, wollte sofort meine Karte.

„Ich fahre so oft nachts mit dem Taxi nach Hause, ich will nur noch mit Dir fahren!

Was ich mit Deinen Kollegen schon erlebt habe, das glaubst Du nicht.

Da steigt man als Frau ein – ich steige ja sowieso nur noch hinten ein, weil sie Dich so wenigstens nur dauernd im Rückspiegel anglotzen können und nicht auf andere dumme Gedanken kommen -, und das Erste, was die machen: Sie hauen die Zentralverriegelung rein und Du fragst Dich, in welchen Hinterhof er Dich jetzt bringt. Das passiert mir ständig!“

Gruselig.

Eine ältere Dame – bei weitem kein „Discomäuschen“, bei dem man als offensiver Taxifahrer vielleicht mal sein Glück versucht – erzählte mir, ihr Fahrer hielt am Waldrand, wurde körperlich zudringlich und wollte sie zu einem Spaziergang überreden.

Das waren nur zwei extreme Beispiele, aber leider nicht die einzigen. Und wenn ich dann frage, wie es weiterging, bekomme ich jedes Mal zu hören:

„Nichts weiter. Ich hab bezahlt und bin ausgestiegen.“

FALSCH!

Jedes Taxi hat eine Ordnungsnummer hinten rechts in der Heckscheibe. Taxis mit Funk haben – zumindest in Stuttgart – eine Funkkarte mit Foto des Fahrers und Identifikationsnummer. Alternativ lässt man sich eine Quittung ausstellen, darauf ist der Stempel des Unternehmens. Merken! Und sich beschweren respektive Anzeige erstatten. Solche Taxifahrer will niemand haben, aber wenn sich keiner beschwert, passiert auch nichts.

Etwas weniger brisant, aber auch zum Kopfschütteln war die Anekdote eines Fahrgastes, der zweimal beruflich in Stuttgart zu tun hatte, am ersten Tag am Hauptbahnhof in ein Taxi stieg, eine relativ bekannte Straße nannte und der Taxifahrer unfreundlich befohl:

„Ich fahren – Du zeigen!!!“

Ähem, klar. Hat hier jemand bei der Ortskundeprüfung geschummelt und ist außerdem zu bequem, das Navi anzuwerfen?

Auch hier gilt: Aussteigen, nächstes Taxi nehmen. Das kann’s nicht sein. Ich schwitze Blut und Wasser, wenn ich mal kurz nicht weiß, wohin, und andere nehmen sich sowas raus – und kommen damit auch noch durch.

Bei seinem zweiten Aufenthalt in Stuttgart wollte er seinen nächsten Chauffeur freundlicherweise lotsen, als dieser schimpfte:

„Du nix sagen – ich wissen!!!“

Und meine absurdeste Lieblingsgeschichte, die mir eine Fahrgästin vor Jahren erzählte:

Sie stieg am Taxiplatz Ostendplatz ein und wollte rüber in den Westen. Diese Strecke kennt jeder Taxifahrer im Schlaf. Ihr Fahrer fuhr allerdings erst mal in die falsche Richtung. Gut, das kann passieren: Blackout, andere Straße im Kopf, was soll’s. Als sie ihn auf seinen Fehler hinwies, sagte er, er wisse schon, wo er hinfahre, er sei hier schließlich der Taxifahrer. Ich Meckerziege wäre da schon direkt wieder ausgestiegen, aber ist ja nicht jeder so rigoros. Sie fuhren also weiter, er bog willkürlich hier und da ab, aber dem Zufall sei’s gedankt, sie fuhren grundsätzlich mal in die richtige Richtung. Plötzlich fährt er rechts ran, kippt den Sitz nach hinten und schließt die Augen. Sie, perplex, fragt ihn, was  das soll. Er daraufhin:

„Ich muss mich erst mal entspannen.“ 

Tja, da weiß man so spontan gar nicht, ob man lachen oder heulen soll.

Irgendwann waren sie am Ziel, sie stieg aus und wollte ihm gerade beibringen, dass sie ihn ganz sicher nicht bezahlen würde, als er einfach davon fuhr.

Krass, oder? Sie war sich sicher, er war high und das Foto auf der Funkkarte schien auch nicht gepasst zu haben, aber auch hier hat man die Sache einfach auf sich beruhen lassen. Schade. Ich wäre da ja sofort dabei. Bis vor die höchste Instanz und so. 😉

Aber kommen wir zu dem – zumindest für mich – erfreulichen Teil des vergangenen Wochenendes. Am Samstag stehe ich unproduktiv an meinem Lieblingstaxiplatz in Sillenbuch und bekomme nach Stunden der Funkstille (einen Euro für die Wortspielkasse) einen Auftrag. Drei Minuten später stehe ich vor besagtem Haus, wo mir meine Fahrgästin in spe einen skeptischen Blick zuwirft. Ich fürchte erneute Häme hinsichtlich meines fahrbaren Untersatzes, als sie mir freudig entgegen hüpft, als wären wir alte Freundinnen und hätten uns ewig nicht gesehen:

„Oh, wie schön, eine Frau! Ich hab mich schon gefragt, was für einer heute wohl wieder kommt! Sagen Sie, hätten Sie nicht Lust, mit mir einkaufen zu gehen?“

Ich blicke etwas verwirrt drein.

Sie weiter:

„Also, ich meine, Sie fahren mich einfach von Laden zu Laden bis ich alles erledigt habe und dann fahren wir wieder nach Hause! Wer weiß, welche Taxifahrer ich sonst kriege, ich will Sie nicht mehr hergeben!“ 

Ach, wie niedlich. Und überhaupt: Bingo, Besorgungsfahrt mal anders. 

Eigentlich gilt: Ich hasse Besorgungsfahrten. Sagte ich das nicht auch schon über Kneipenfahrten? Egal.

Bei Besorgungsfahrten besorgt man nämlich allerhand Absurdes, zu jeder Tages- und Nachtzeit, so zum Beispiel mehrere Flaschen Wodka, Zigaretten, Kondome oder zwölf Cheeseburger und bringt die erworbene Ware zum Kunden. Mit viel Glück macht derjenige die Tür auf, meckert nicht über die falsche Größe/Marke/whatsoever, bezahlt Dich und gibt Dir Trinkgeld. Meistens stimmt irgendwas davon nicht, weshalb ich Besorgungsfahrten generell ablehne, wenn ich sie denn mal auf den Funk kriege.

Aber nicht so bei dieser. Und so fuhren wir erst zur Markthalle. Dann zum Breuninger. Dann zum Tiernahrungsgeschäft in der Altstadt. Dann zur Konditorei. Dann zum Wittwer. Dann zum Blumenladen. Dann zum Hauptbahnhof-Nordausgang. Dort drängle ich mich an der langen Taxischlange vorbei, lade sie aus und warte eben. Nach ein paar Minuten kommt sie zurück, schlängelt sich an sämtlichen Taxis vorbei, reißt meine Beifahrertür auf und ruft:

 „Sind Sie frei? Hahaha!“

Grandios. 😀

Nach guten zwei Stunden waren wir wieder in Sillenbuch, sie gab mir einen Hunderter (ordentlich Trinkgeld inklusive) und überreichte mir einen Schokonikolaus für wahrhaftige 4,50 € (sind die Dinger immer so teuer?):

(Archivbild)

Zu meiner Verteidigung: So eine Schicht ist ganz schön lang. Oder wie sagte meine Kundin so nett?

„Was, von sieben bis sieben? Zehn Stunden???“

Genau. 😀


So nah und doch so fern

5. Dezember 2010

Irgendwie schon leicht ernüchternd, wenn man sein Blogmaterial förmlich zusammenkratzen muss, aber leider ist derzeit überhaupt nichts los in Stuttgart. Sogar die S21-Demonstranten bleiben nun größtenteils Zuhause und vertilgen lieber Weihnachtsgebäck als den Cityring bei -8° zu blockieren – was ja fast genauso schön gewesen sein muss, nech? Und im Taxi landen nur langweilige Fahrgäste in mittelprächtiger Trinkgeldlaune, so langweilig, dass ich mich trotz guten Umsatzes an kaum eine Tour erinnern kann.

Heute hätte ich dann aber doch fast verdammt viel Glück gehabt, aber – wie sollte es auch anders sein – eben nur fast!

Abholung in Sillenbuch vor einer netten Villa.

Älterer Hausherr und wohl mein Fahrgast öffnet die Haustür und schreit entsetzt:

„Soooo ein kleines Auto! Da passen wir ja niemals rein!“

Ähem.

Ich schon leicht angesäuert, weil die Zentrale kein Großraumtaxi beauftragt hat: „Wie viele Personen sind Sie denn?“

Er: „Na, zwei!“ … Und schließt die Haustür.

?!?

Ich weiß, eine B-Klasse ist nun nicht gerade ein Hummer, aber echt. Ohne Worte. Verwöhnte S-Klassen-Snobs. Ich trotte zu meinem Bobbycar zurück.

Fahrgästin öffnet die Haustür und lässt verlauten:

„Wir haben Gepäck!“

Also doch. Schön. Durfte dann erst mal ins 2. OG schlurfen und mit vier Koffern à gefühlten 20 kg wieder abwärts steigen. Dabei ordentlich viel Schneematsch hinterlassen, aber man hilft ja gerne. Und weil der Kofferraum einer B-Klasse tatsächlich noch weniger Stauraum hat als der einer A-Klasse (Selbstversuch!) könnte der ein oder andere Koffer beim Schließen des Kofferraumdeckels zwar eine Delle abbekommen haben, aber die Blöße wollte ich mir und meinem kleinen Auto dann doch nicht geben!

Fahrgast nimmt neben mir Platz, sein angetrautes Eheweib hinten.

Er grinst süffisant: „So, junge Frau, jetzt sagen Sie mir erst mal, was für ein kleines Auto Sie da haben, gnihihi.“

Ja ja, streu‘ Du nur weiter Salz in die Wunde. Dass er aber tatsächlich in einem Mercedes sitzt, hätte ihn dann doch fast vom Hocker gehauen … wenn er genug Platz gehabt hätte, haha.

Zum Hauptbahnhof sollte es gehen. Als wir so unterwegs sind, erkundigt er sich nach dem Fahrpreis bis nach Köln und meint dann:

„Das geht doch eigentlich. Dann könnten wir auch mit dem Taxi nach Köln fahren, mit der Bahn kostet es fast genauso viel für zwei Personen hin und zurück.“

Sowas nimmt man noch nicht ernst. Ich zumindest nicht mehr, seit ich am Flughafen von einem unter Zeitdruck stehenden Businessman, der offensichtlich seinen Flug verpasst hatte, ganz aufgeregt gefragt wurde, wie schnell wir in Hamburg sein können, ich eine optimistische Zeit nannte, derjenige begeistert nickte und dann wortlos davon ging. Pah! Das war mir eine Lehre, musste erst mal mühsam meinen Puls beruhigen. Anm. d. Red.: Größte Fahrt in fast fünf Jahren Taxigeschichte: Stuttgart – Pforzheim. Das ist NICHTS!

Und seine Frau hat schließlich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ich stelle mich auf die Stimme der Vernunft ein, da sagt sie doch tatsächlich:

„Klaus, noch kannst Du es Dir überlegen!“

Ich werde dann doch schon mal so ein Bisschen unruhig, überschlage die Fahrzeit bis zum Schichtwechsel – passt, biete einen Pauschalpreis an – passt. Und dann das:

Er: „Ach, ich weiß jetzt gar nicht, wie hoch die Stornogebühren für die Zugfahrt wären. Die Tickets für die Hinfahrt haben wir ja schon. Am Besten, wir fahren dann erst von Köln nach Stuttgart zurück mit dem Taxi. Aber trotzdem danke für die Bereitschaft!“

Ja, nichts für ungut!!! Menno.

An dieser Stelle anonymerweise einen Gruß an den Glückspilz der Kölner Taxikollegen in ein paar Tagen. Für eine kleine Dankesprovision wäre ich total offen.

PS: Habt ihr eigentlich die Schneeflocken auf meiner Seite bemerkt? Sind sie nicht herzallerliebst? 😉