Kleiner Denkanstoß zu Beginn: Ist es eigentlich nicht sehr viel wahrscheinlicher, dass sich „Werkswagen“ weniger von „Werk“ als vielmehr von „Werkstatt“ ableitet? Wer ist dafür? Mein Taxi kam nämlich erst gestern* aus der Werkstatt und heute ist es schon wieder dort. Aber fangen wir von vorne an:
Hach, was für eine Schicht – so ganz ohne Fahrgäste. Okay, das stimmt nur teilweise, denn zumindest der Morgen verlief normal, wenn auch sehr ruhig. Gegen 11.30 Uhr stand ich am Le Méridien als drei Japaner einstiegen und zum Mercedesmuseum wollten. Interessanterweise gehen übrigens 99% aller Fahrten vom Le Méridien zum Mercedesmuseum. Als ein Fahrgast tatsächlich mal zum Porschemuseum wollte, musste ich zweimal ungläubig nachfragen. 😉
Aber zurück zu meinen Japanern. Auf halber Strecke blinkte nämlich plötzlich die Ölleuchte auf und das Auto sprang direkt in den Notlauf. Super Sache. Meine Japaner wurden jedoch erst auf den weniger komfortablen Fahrkomfort aufmerksam (die dachten wohl, ich rolle generell mit 30 km/h auf einer vierspurigen Hauptverkehrsstraße…), als ich ihnen zu erklären versuchte, dass sie den Rest der Strecke eventuell laufen müssten, „because no more power“ und so. Was heißt eigentlich Vollgas auf Englisch? 😀
Zum Glück ist die Mercedesstraße halbwegs eben und so hab ich meine Passagiere, wenn auch sehr mühsam, doch noch bis vor die heiligen Hallen chauffiert.
An der nächsten Shell hat sich sofort ein arbeitswütiger Tankwart auf mich gestürzt und es sich nicht nehmen lassen, umgehend meinen Ölstand zu prüfen. Also den des Taxis, versteht sich. 😉 War aber dummerweise alles in Ordnung und als ich gerade schön verwirrt ob meiner weiteren Vorgehensweise war, hab ich mir doch tatsächlich ein Frostschutzmittel andrehen lassen. Respekt vor dieser Ausgebufftheit!
Meinen Chef hab ich jedenfalls in seinem wohlverdienten Urlaub gestört und der hat mich trotz der Krisensituation (Krise, da unser Ersatztaxi bereits für ein anderes Taxi unseres Unternehmens im Einsatz war, ansonsten hätte man meinen Wagen problemlos austauschen können) relativ unbeeindruckt an seinen Stellvertreter verwiesen, den ich dann nach einer Nachtschicht aus dem Bett klingeln durfte musste.
Nun, es gab nicht viele Möglichkeiten angesichts der Tatsache, dass sowas ja nach Murphys Gesetz grundsätzlich am Wochenende passiert:
1. Zum Hallschlag rollen und einen Meister draufgucken lassen.
2. Trick 17: „Motor aus, Schlüssel abziehen, Auto verschließen, warten.“
Die zweite Variante erinnerte mich dann doch etwas an den Witz mit dem aus- und eingeschaltenen Bildschirm mit der Absicht, den Rechner neuzustarten, hihi. Hat natürlich nichts gebracht und bei meinem Glück fand sich beim Hallschlag an einem Samstagmittag auch kein Kfz-Meister mehr.
Also zurück zum Daimlerwerk gerollt und hier wird es dann so richtig absurd:
Tor 1 angefahren.
Ich: „Hallo, ich würde gerne mein Taxi, das ein Versuchswagen ist, hier auf dem Werk abstellen, damit mein Chef am Montag kommt und mit Herrn [Nachname und Mitarbeiter bei Daimler] schaut, was mit dem Auto nicht stimmt.“
Habe ich mich arg missverständlich ausgedrückt? Ich finde nicht.
P1: „Sie sollen das hier abstellen?“
Wow, jemand von der ganz schnellen Sorte.
Ich: „Genau das.“
P2 gesellte sich dazu und war ganz aus dem (Pförtner-)Häuschen.
P2: „Wo ist denn Ihr Fahrauftrag? Den brauchen Sie nämlich. Ohne was Schriftliches geht hier gar nichts. Und was heißt, Sie wollen das hier abstellen? Arbeiten Sie beim Daimler?“
Ich: „Nein, ich arbeite nicht hier. Mein Taxi ist kaputt und ich bin Taxifahrerin.“ Und hier ist Dein Schild. „Schriftlich abgefasst wurde da bisher auch nichts, es war nämlich eher sowas wie ein spontaner Entschluss meines Taxis, seit zwei Stunden nicht mehr so richtig fahren zu wollen.“
P1 empört: „Nee, das geht alles nicht. Man hat mir NICHTS gesagt! Ich weiß hier von nichts und ich nehme ganz bestimmt keinen Schlüssel an.“
Ich: „Brauchen Sie auch gar nicht, den nehme ich nämlich mit.“
P1: „Ha, das geht gleich gar nicht. Da könnte ja jeder kommen und sein Auto hier abstellen.“
Ja, man stelle sich nur vor, JEDER käme zum Daimlerwerk gefahren, um sein Auto verschlossen auf dem Parkplatz gegenüber der Pkw-Instandsetzung zurückzulassen. Das hätte nämlich den absolut brillianten Sinn, dass … ähm, ja. Was hätte das wohl für einen Sinn?! Siehste wohl.
P1 weiter: „Außerdem geht das sowieso nicht, denn ich weiß ja nicht mal, ob das hier überhaupt ein Werkswagen ist. Sie haben gar keinen Aufkleber in der Frontscheibe.“
Richtig, laut Chef gibt es diese für Versuchswagen auch schon seit vielen Monaten nicht mehr. Aber schön zu sehen, wie hervorragend die Verständigung innerhalb eines Unternehmens doch funktioniert. Nicht.
P1: „Ich glaube Ihnen das zwar, aber als Außenstehender (okay, das Nettogehalt reicht scheinbar nicht aus, um sich entsprechend mit seinem Arbeitgeber zu identizifieren) kann ich nicht erkennen, dass das Fahrzeug von uns ist.“
Äh, ja.
1. Indiz: Es ist ein Mercedes. Aber da lasse ich Zweifel ja noch gelten.
2. Indiz: Im Fahrzeugschein steht „Daimler AG“.
Als ich diesen gerade vorzeigen wollte, meinte P1 jedoch abwehrend:
„Nein, damit kann ich nichts anfangen.“
3. Indiz: Kfz-Kennzeichen „PT“ für Praxistest.
Er war noch immer nicht überzeugt.
P1 leicht verzweifelt: „Wollen Sie nicht vielleicht einen Reparaturauftrag ausfüllen?“
Wollte ich nicht.
„Jetzt noch mal, damit ich das auch richtig verstehe: Sie wollen nur das Auto abstellen und sind aber eigentlich Sekretärin hier im Haus?“
Ahhhhhh!
Ich: „Wissen Sie was, dann parke ich jetzt der Einfachheit halber auf der Straße und mein Chef klärt das am Montag alles selbst.“
P1: „Ja, Moment. Wenn das wirklich ein Werkswagen ist, ist es natürlich auch nicht im Sinne der Daimler AG, wenn das Auto jetzt irgendwo auf der Straße steht.“
Da konnte ich mir das Lachen dann doch nicht mehr verkneifen.
Viele Minuten später, P1 und P2 haben sich unterdessen beratschlagt, eilte P2 dann euphorisch zurück zur mir und verkündete:
„Ich glaube, ich habe eine Lösung gefunden: Ich fahre jetzt vor Ihnen her, wir stellen das Taxi auf dem Parkplatz der Pkw-Instandsetzung ab und dann nehmen Sie den Schlüssel einfach mit.“
NEIN! Welch grandiose Idee! Man lese bitte meinen ursprünglichen Vorschlag zur Abwicklung des Ganzen.
Nachdem wir diese Hürde genommen hatten, stand ich nun nur noch vor der Problematik, wie ich vom Daimlerwerk zum Europaplatz komme, wo mein Auto steht.
Wieder blieben nicht viele Möglichkeiten:
1. Zur S-Bahn-Station laufen, S-Bahn fahren, U-Bahn fahren, Bus fahren. Und bei alldem natürlich keinen Plan vom ÖPNV haben.
Hab mich für 2. entschieden, denn Stuttgart ist dekadent:
2. Stuttgart fährt Taxi! Und so hab ich mein heutiges Einkommen direkt wieder selbstloserweise ins Taxigewerbe investiert.
Mein Taxifahrer erzählte mir übrigens, dass mein Taxi bis *Freitag aus dem Grund in der Werkstatt war, weil – wie man sich am Flughafen erzählt – eine Kollegin für meinen Kollegen in der Warteschlange aufrücken wollte, dabei nicht bemerkte, dass es sich hierbei ausnahmsweise NICHT um ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe handelte und dem Vordermann mit einem Satz in den Kofferraum hüpfte. 😀
Ich gebe zu: Sehr zu meiner Schadenfreude, denn spätestens jetzt bin ich wohl nicht länger die Nummer 1 der unwürdigsten Taxifahrerinnen, die – ebenfalls am Flughafen – für einen Kollegen aufrücken wollte und die verdammte Handbremse partout nicht gefunden hat. Doofes No-name-Auto mit versteckter Handbremse unter der Mittelarmlehne (und ich meine nicht die „normale“ Handbremse an dieser Stelle, sondern ein komplett unauffälliges viereckiges Rahmenteil zum Hochziehen!), pah. Ich kenne mich nur mit deutscher Wertarbeit aus. 😉
Tja, und wie geht’s jetzt weiter? Ich darf morgen mal ausschlafen, werde noch dazu entschädigt in einer Höhe, die meine voraussichtliche Umsatzbeteiligung an einem Sonntag wesentlich übersteigt, und stürze mich nun mit einer Freundin ins Stuttgarter Nachtleben.